Kontakt

Jüdisches Leben vor 1945

 
 

Die filmische Darstellung jüdischen Lebens in Köln setzte erst in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts ein. Vorher tauchten gelegentlich kürzere Beiträge im Fernsehen auf, meist aus Anlass von Jahrestagen oder aktuellen Ereignissen, wie z.B. den Novemberpogromen oder dem „Lischka-Prozess“ 1979 in Köln.

Einen der ersten kurzen Fernsehberichte zum Thema nationalsozialistische Geschichte in Köln sendete der WDR 1966: eine Meinungsumfrage zur „Kristallnacht“. In dem zweiminütigen Film werden junge und ältere Passanten danach gefragt, was sie über die Reichspogromnacht, die sogenannte „Kristallnacht“ wissen, den 9. November 1938, als in ganz Deutschland Synagogen in Brand gesetzt und jüdische Geschäfte zerstört und mit antisemitischen Parolen beschmiert wurden. Die Antworten zeugen – bis auf einen Schüler – von starker Abwehr und Verdrängung. 

Der WDR-Beitrag „Aktenträger oder Massenmörder?“ (1980) behandelte aus aktuellem Anlass einen NS-Prozess, der 1979/1989 in Köln stattfand. Es war der sogenannte „Lischka-Prozess“ gegen den ehemaligen Chef der Sicherheitspolizei in Paris, Kurt Lischka sowie zwei weitere Mitangeklagte. Lischka war in Paris aktiv an der Verfolgung von Juden beteiligt und hatte nach dem Krieg jahrelang unbehelligt in Köln-Holweide gelebt.

Fragen nach der Vergangenheit

 

Die Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit den Verbrechen aus der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands wurde maßgeblich durch die Studentenbewegung Ende der Sechziger Jahre angestoßen. Die Generation der im Krieg und kurz danach Geborenen stellte hartnäckig Fragen nach Mitläufertum und Tätern im Nationalsozialismus. Immer wieder bohrte sie nach bei den Karrieren ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Nachkriegsdeutschland. In bundesdeutschen Parlamenten und Gerichten, in Hochschulen und Behörden bekleideten nach wie vor ehemalige NSDAP-Mitglieder hohe Positionen. 

Auch in Köln forderten damals u.a. revoltierende Studenten Erklärungen für diese Kontinuität. Ihr Bestreben um eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit wurde oft erschwert durch Verdrängung, Verstummen und Verschweigen. 

Die Geschichte des „El-De-Hauses“ in Köln illustriert das beispielhaft: Das heutige NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln mit Gedenkstätte befindet sich im sogenannten „EL-DE-Haus“ am Appellhofplatz 23-25 (der Name rührt von den Initialen des ursprünglichen Besitzers, des Großhändlers Leopold Dahmen). Dort befand sich von 1935 bis 1945 die Zentrale der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) mit Gefängnis- und Folterzellen im Keller. Nach dem Krieg wurde das unzerstörte Gebäude von verschiedenen Dienststellen der Stadt genutzt. Erst 1981 entstand auf unerbittliches Drängen engagierter Kölner und Kölnerinnen eine Gedenkstätte, seit 1988 beherbergt das Gebäude das NS-Dokumentationszentrum. 

Widerstand und Verfolgung

 

Als der Filmemacher Dietrich Schubert 1975 für seinen Dokumentarfilm „Widerstand und Verfolgung in Köln 1933-1945“ in den Kellerräumen drehen wollte, bekam er keine Drehgenehmigung. Dietrich Schubert fing in dieser Zeit an, sich intensiv und kontinuierlich mit der NS-Zeit in Köln und Umgebung zu befassen. Er lernte Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes (VNN) kennen und griff in den folgenden Jahren das Thema Widerstand und Verfolgung in Dokumentar- und Spielfilmen wie „Nachforschungen über die Edelweißpiraten“ (1980) und „Nieder mit den Deutschen“ (1984) immer wieder auf. In „Unterwegs als sicherer Ort“ (1997) begleitete er  den in Köln lebenden Juden Peter Finklegruen auf den Spuren seiner Emigrationsgeschichte. Auf der Suche nach dem Mörder seines Großvaters, der in Theresienstadt ermordet worden war, reist Peter Finkelgruen über seinen Geburtsort Shanghai bis nach Haifa. Hier war er als Neunjähriger 1951, nach dem Tod der Eltern, mit seiner Großmutter übergesiedelt. Für Peter Finkelgruen, der sich „unbeheimatet“ fühlt,  ist die Spurensuche zugleich eine Suche nach den eigenen Wurzeln. 

Antisemitismus in Köln

 

Erste Aktionen gegen jüdische Geschäfte fanden in Köln ab April 1933 statt: Plakate mit antisemitischern Parolen, beschmierte Schaufenster, Boykottaufrufe. Überall in Deutschland wurden jüdischen Ärzten die Zulassung entzogen und „nichtarische“ Beamte entlassen. Auch in der Filmbranche setzte sich das Berufsverbot für Juden durch, beim Film durfte nur noch arbeiten, wer „deutscher Staatsangehöriger und deutschstämmig“ war. 

Zwischen 1938 und 1944 wurden in Köln über 735 Häuser und Grundstücke jüdischer Besitzer beschlagnahmt und verkauft. Bereits 1934 war das Kaufhaus Leonhard Tietz A.G. auf der Schildergasse „arisiert“  und in „Westdeutsche Kaufhof AG“ umbenannt worden. Im Mai 1941 mussten alle jüdischen Bewohner des Rechtsrheinischen ihre Häuser räumen. Sie durften nur noch in sogenannten „Judenhäusern“ in Ehrenfeld, Nippes und der Alt- und Nordstadt wohnen.

 

Wie die Arisierung von Geschäften und Industriekonzernen vor sich ging, erzählt exemplarisch der Film „Das Erbe der Väter“ (2005) von Jürgen Naumann und Gert Monheim. Anfang des 20. Jahrhundert hatten Otto Wolff und Ottmar Strauß die Eisenhandelsfirma Otto Wolff in Köln gegründet, die in wenigen Jahren zu einer der bedeutendsten deutschen Industriekonzerne heranwuchs. Kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis musste Ottmar Strauß als Jude den Konzern verlassen, seine Beteiligungen und seine wertvollen Immobilien gingen an seinen Kompagon Otto Wolff über. Dessen Sohn Otto Wolf von Amerongen übernahm den Konzern nach dem Tod des Vaters 1940. Er zählte lange Zeit zu den führenden Wirtschaftsrepräsentanten der Bundesrepublik. Eine  Entschädigung, die Ottmar Strauß’ Sohn Ulrich von dem Konzern forderte, wurde ihm nur in geringem Umfang und erst nach jahrelangem Rechtsstreit gewährt.

Michael Verhoven stellt in  „Menschliches Versagen“ (2008) die detaillliert geplanten Zwangsenteignungen sowie das Verhalten deutscher „Volksgenossen“, die sich am Eigentum ihrer jüdischen Nachbarn bereicherten ins Zentrum seines Dokumentarfilms.  Zeitzeugen und -Zeuginnen erinnern sich an Berufsverbote, Vertreibung und gewalttätige Übergriffe. 

Deportationen

 

Am 21. Oktober 1941 wurden die Kölner Juden im Sammellager Fort V in Müngersdorf interniert. Wenige Tage darauf verließen die ersten Transporte Köln in Richtung Lodz. Der Film „Annas letzte Reise“ (1996) von Günter Ginzel nimmt genau hier seinen Anfang: 1941 rettete eine Kölnerin den wenige Monate alten Sohn einer jüdischen Freundin aus dem Lager und versteckte den Jungen bis zum Kriegsende. Der Film begleitet sie 1996 zu dem erwachsenen Dany, der seit Jahrzenten in Israel lebt.

Die wachsenden Repressionen und die Deportationen Kölner Juden sind Thema der detail- und materialreichen Dokumentation „Die vergessenen Kinder von Köln“ (2006). Im Juli 1942 wurden über 1.000 Juden aus Köln Richtung Minsk deportiert, darunter 335 Kinder und Jugendliche. Viele von ihnen lebten vorher im jüdischen Waisenhaus, gingen auf das Realgymnasium Jawne in der St. Apernstraße. Dessen Schulleiter Erich Klibansky gelang es, zahlreiche Schüler und Schülerinnen nach England zu schicken und dadurch vor dem Tod zu bewahren.
Jürgen Naumann ist den Spuren dieser jüdischen Kinder und Jugendlichen gefolgt und konnte sich dabei auf Kopien von Deportationslisten stützen, die erst 1981 im Nachlass des ehemaligen Leiters des "Rheinischen Sippenamtes" an der Universität Köln gefunden worden waren.

Kinderschicksale andere Art stellt Hanno Brühl in der mehrteiligen Serie „Oft bin ich bang“ (2001) für das WDR-Schulfernsehen dar. Im Mittelpunkt steht das Leben von Kindern und Jugendlichen im Faschismus, ein Teil ist dem jüdischen Jungen Hans Abraham Ochs gewidmet, der von Hitlerjungen in der Kölner Südstadt zu Tode geprügelt wurde.

Lebendige Erinnerungen

 

Zeitzeugen und Zeitzeuginnen verleihen den meisten Dokumentarfilmen mit ihren Erzählungen Stimme und Gesicht. Ihren Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Köln kommt eine besondere Bedeutung zu, machen sie doch nachvollziehbar, wie jüdische Familien in Köln gelebt und wie sie die Repressionen und Verfolgungen ab 1933 erfahren haben. Vertreibung und Deportation, der Tod von Familienmitgliedern, Fluchtwege sowie das eigene Überleben spielen in den Berichten eine wesentliche Rolle.

Gleich zwei Dokumentationen widmen sich dem Kölner Maler Manfred Weil:  „Das furchtbare Glück des Manfred Weil“ (1981) über seine fast unglaubliche Überlebensgeschichte sowie „Mich kriegt ihr nicht  – Die abenteuerliche Odyssee des Manfred Weil“ (2016) kurz nach seinem Tod 2015.

In „Judith und der Mann von Schindlers Liste“ (2011) von Martin Buchholz steht die Begegnung zweier Generationen im Zentrum: die 12 jährigen Judith, die als Hochbegabte an der Musikhochschule Köln Geige studiert trifft den in Köln lebenden Holocaust-Überlebenden Michael Emge. Sie kommen ins Gespräch, wagen gemeinsam eine Reise nach Polen. 

 

Der Film „Schalom Alaaf“ ist insofern eine Besonderheit, als er der einzige unabhängig vom Fernsehen produzierte Film ist, gedreht von zwei damaligen Studenten. Sie lernten ihre Gesprächspartner und Partnerinnen durch die in Israel ansässige "Vereinigung ehemaliger Kölner und Rheinländer" kennen und hören ihren Erinnerungen zu: Kuno Treumann, Sohn eines Braumeisters aus der Kölner Altstadt erzählt mit deutlich hörbarem Dialekt von den Skatspielen seines Vaters, zu denen der Pastor der Gemeinde sonntags vorbeikam. Und David Alster-Yerdani schildert genau die Schwierigkeiten, die es für ihn bedeutete, als jüdischer Schüler auf eine „deutsche“ Oberschule zu wechseln.

In diesem Film wie auch in anderen Dokumentationen spielt der Kölner Karneval eine besondere Rolle: In den Erzählungen Kölner Juden und Jüdinnen, die über ihre Kindheit im Nationalsozialismus befragt werden, steht er exemplarisch für die Mischung aus Antisemitismus und Brauchtum in Köln.

Karneval in der NS-Zeit

 


Bereits auf dem Kölner Rosenmontagszug 1934 gab es einen Wagen, der Juden verspottete und verhöhnte: Die Karnevalisten hatten sich mit langen Bärten und Hüten verkleidet, über ihnen ein Transparent mit der Aufschrift „Die Letzten ziehen ab“ – eine perfide Äußerung angesichts der Repressalien und Enteignungen, unter denen jüdische Bürger und Bürgerinnen in Deutschland schon damals zu leiden hatten. In den Erinnerungen der befragten Menschen taucht dieser Karnevalswagen immer wieder auf. Die 2008 produzierte WDR-Dokumentation „Heil Hitler und alaaf ! Karneval in der NS-Zeit“ widmet diesem speziellem Aspekt der Lokalgeschichte besondere Aufmerksamkeit.

2013 entdeckt Köln im Film im Bremer Landesfilmarchiv Filmmaterial aus den 19030er Jahren, die den Rosenmontagszug des  Kölner Karneval 1936 zeigen. Auch der antisemitische Wagen „„Däm han se op d’r Schlips getrodde“ taucht auf.  Mit dem Motiv des Paragraphen wurde direkt Bezug genommen zu den wenige Monate zuvor verabschiedeten sog. Nürnberger Gesetzen.

Filmische Darstellungen jüdischen Lebens heute sind eher selten. Die dreiteilige Fernsehdokumentation „Jüdisches Leben an Rhein und Ruhr 1945 bis heute“ (1998) gehört dazu. Mit Archivmaterial und in Interviews schildert der Film Aufbau und Entwicklung der jüdischen Gemeinden an Rhein und Ruhr. Und in dem 2004 produzierten Film „Zwischen Köln und Tel Aviv“ richtet sich das Augenmerk ausschließlich auf die Gegenwart: eine Zwölfjährige steht im Mittelpunkt, die in der jüdischen Gemeinde in Köln  aktiv ist.