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Kinokrise und Aufbruch

 
 

Auf die Blüte der Lichtspielhäuser in den 1950er Jahren folgt bald eine Phase des Niedergangs. Das Fernsehen erobert die deutschen Wohnzimmer – es bietet Unterhaltung für die ganze Familie und wird zur Konkurrenz für die Kinos. Auch in Köln müssen viele Häuser schließen – die Stadt wird vom „Kinosterben“ ergriffen.

Im Jahr 1960 hatten die Kölner und Kölnerinnen durchschnittlich 16,3 Mal ein Kino besucht, fünf Jahre später war der Besuch noch einmal um die Hälfte gesunken (noch 1957 hatten die Kölner mit durchschnittlich 25,5 Kinobesuchen im Jahr als besonders filmfreundlich gegolten). Sinkende Besucherzahlen und Kinosterben waren zu einer konstanten Begleiterscheinung in der Kinolandschaft geworden.

Die Probleme der Branche sind jedoch auch selbstverschuldet: Das Programm aus altbewährten Heimat-Schnulzen, billig produzierten Western und Klamauk-Filmen ist in vielen Kinos anspruchslos und eintönig. Dagegen finden der Neue Deutsche Film und Produktionen aus dem Ausland nur selten ihren Weg auf die Leinwand. Als kulturelles Angebot verliert das Kino immer mehr an Bedeutung und wird als Freizeitaktivität für viele zunehmend unattraktiv.

In den folgenden Jahren verloren Filmtheater bundesweit mehr als drei Viertel ihrer Besucher: Von 818 Millionen Zuschauern im Jahr 1956 sank die Zahl auf den vorläufigen Tiefpunkt von 180 Millionen im Jahr 1968. In Köln war die Lage nicht anders: 17,8 Millionen Besucher zählte man im Jahr 1957, 1960 waren es nur noch 12,8 Millionen.

Vom Filmpalast zum „Schachtelkino“

 

Der massive Rückgang der Besucherzahlen führte zur Verkleinerung der Kinosäle – die sogenannten „Schachtelkinos“ entstanden: kleine Räume, mal lang und schmal, mal querformatig, je nach baulichen Gegebenheiten. Aus Filmpalästen wurden „Kinocenter“. Ausstattung und Farbgebung in den kleinen „Schachtelräumen“ spiegelten den Stil der Zeit: florale Teppichmuster, grafische Tapeten in orange, braun oder grün, die den Bildern auf der Leinwand nicht selten Konkurrenz machten. Und auch die akustische Situation war häufig unbefriedigend, konnte man im einen Kino doch bei ruhigen Szenen die Dialoge des Films im Nachbarkino mithören.

Vorreiter war Heinz Riech, der 1972 über 30 Ufa-Kinos in der BRD übernommen hatte. So wie in anderen Städten wurde auch in Köln der Ufa-Palast im Lauf der siebziger Jahre mehrfach umgebaut: immer mehr kleine Kinosäle bis es schließlich 13 Säle gab. Die Konzentration der Ketten verstärkte sich, zum Riech-Konzern gehörten in Köln bis in die achtziger Jahre 21 Kinos, u.a. auch das Passage-Kino (7 Säle) sowie das Lux am Dom.

„Trend zum kleinen Kino“

 

Auch in anderen Kölner Kinos setzte sich der „Trend zum kleinen Kino“ durch: Neben dem Capitol, das bis zu seiner Schließung 1995 seinen großen Saal beibehielt, entstand 1974 ein Minikino mit 60 Plätzen, das Movie.
„Es war ein Raucherkino, mit Spiegelprojektion, also mit einer ziemlich schlechten Qualität, aber so ein kleines Kino lief damals gut. Wenn wir z. B. Woody-Allen-Filme nachspielten, war das Kino voll,“ erinnert sich Jürgen Hildner, der zusammen mit seinem Vater Erich Hildner zwischen 1973 und 1978 das Capitol, das Movie und seit 1976 auch das Apollo leitete.
18 Andere Filmtheater folgten: Das City in der Ehrenstraße erweiterte sein Saalangebot 1974 um den kleinen Saal Elysee, Theater am Rudolfplatz und Residenz richteten ebenfalls zwei kleine Säle ein.

Projektions- und Tonqualität ließen bei diesen Umbauten zwar nach, doch für die Kinobetreiber zahlten sie sich aus, konnten sie doch mehr Filme zeigen und diese je nach Nachfrage in kleineren oder größeren Sälen platzieren. War der eine Film ausverkauft, wurde den Besuchern ein anderer Film im Kinosaal nebenan angeboten.

„Sex sells“

 

Viele Kinos in der Kölner Innenstadt versuchten damals, den sinkenden Besucherzahlen mit Sexfilmen entgegenzusteuern, selbst das Rex am Ring warb im September 1971 mit dem „Hausrekord“ von 18 Wochen „Schulmädchen-Report“. Aus dem AKI im Hauptbahnhof war in den vergangenen Jahren ein Bahnhofskino mit Nonstop-Sexprogramm geworden, die verbliebenen Stadtteilkinos versuchten, mit einer Mischung aus Sex- und Actionfilmen zu überleben. Die reinen Pornokinos in Köln (Cinema, Die Camera, Filmpalette, Gloria) konnten sich mit ihrem Nonstop-Angebot noch bis in die 1980er-Jahre über Wasser halten, das Gloria in der Apostelnstraße existierte bis 1991, Die Camera auf dem Ring bis 1994, trotz starker Konkurrenz durch den Videotheken-und Sex-Shop-Markt.

Kritik und Aufbruch

 

Heftige Kritik an der verkrusteten Situation von Kino- und Filmwirtschaft war bereits in den 1960er- Jahren geäußert worden. Im folgenden Jahrzehnt waren es vor allem Regisseure, die „Papas Kino“
den Kampf angesagt hatten und inzwischen mit eigenen Filmen in die Kinos drängten. Zu einer weiteren Form des Widerstands fanden sich darüber hinaus auch Filmkritiker, Medienpädagogen und Filmliebhaber zusammen – sie griffen zur Selbsthilfe und forderten ein „anderes Kino“.
Eine Gruppe junger Filmschaffender trat 1962 auf dem Kurzfilmfestival in Oberhausen mit der Forderung nach einem neuen deutschen Film an die Öffentlichkeit, und erklärte „Papas Kino“ für tot, das Oberhausener Manifest markierte den Beginn einer neuen Ära im deutschen Film.
In Köln zeigte die Gruppe XSCREEN Experimentalfilm-Programme in vollen Häusern, und in Duisburg, Berlin und Frankfurt entstanden die ersten Kommunalen Kinos.