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Filmlandschaft

 
 

Für die deutsche Film- und Kinolandschaft sind die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine bewegte Zeitspanne: der Boom der Kinos in den fünfziger Jahren geht zurück, der Fernsehabend zuhause tritt an die Stelle des regelmäßigen Kinobesuchs. Es entstehen höchst unterschiedliche Filme – von der erfolgreichen Winnetou-Serie mit dem „Schatz vom Silbersee“ bis zu Fritz Langs „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“. Bei den Oberhausener Kurzfilmtagen 1962 proklamieren junge Filmemacher „Papas Kino ist tot“, parallel entstehen Filme wie „In Frankfurt sind die Nächte heiß“ und einige Jahre später sind die ersten Filme von Thome, Faßbinder, Syberberg und Kluge zu sehen. 

In den fünfziger Jahren dominierten im bundesdeutschen Film noch Heimat-, Schlager- und Sittenfilme. Dem folgten in den sechziger Jahren im Bereich des Unterhaltungsfilms die erfolgreichen Serien der Edgar-Wallace-Verfilmungen und Karl-May-Filme um Winnetou und Old Shatterhand. „Der finanzielle Erfolg dieser Serien kaschierte, wie schlimm es in den Sechzigern tatsächlich um das Kino hierzulande stand. (Norbert Grob in: „Die Geschichte des deutschen Films“, S.214) 

In den Kinos laufen neben den deutschen Produktionen ausländische Filme wie die amerikanischen Filme „Easy Rider“ und „Doktor Schiwago“ , Filme der französischen Nouvelle Vague oder „Schweigen“ von Ingmar Bergman und „La Dolce Vita“ von Federico Fellini. Auch das Publikum differenziert sich immer mehr, das kommerzielle Kinoangebot genügt längst nicht allen Interessen – Filmclubs organisieren sich, neue Filmfestivals entstehen, während das Kinosterben weitergeht.

Zwar gab es einzelne Filme von renommierten Regisseuren wie Fritz Lang („Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“), Helmut Käutner („Schwarzer Kies“) und Wolfgang Staudte („Kirmes“„Der letzte Zeuge“), die in ihren Filmen die Gegenwart ins Visier nahmen und mit Krimielementen ein düsteres Zeitbild zeichneten. Doch sie blieben eine Minderheit.
„Im Lauf der sechziger Jahre brach in der Kinobranche alles zusammen. Produktions- und Verleihfirmen gingen bankrott. Verleiher waren nicht länger in der Lage, die Garantiesummen für die Produktion neuer Filme zu stellen.“ (Norbert Grob)
Investiert wurde in absehbar kommerziell erfolgreiche Filme. Das machte es schwer für neue visuelle Ausdrucksformen und Erzählweisen, wie sie beispielsweise zur selben Zeit in Filmen aus Italien, Frankreich oder Schweden entstanden.

Stillstand und Bewegung

 

Der Filmwissenschaftler und Publizist Karl Prümm charakterisiert die Situation dieser Jahre drastisch so: „Die hohen Besucherzahlen, die das deutsche Genrekino zunächst vorweisen konnte, täuschten über den ästhetischen Stillstand hinweg. Die Nachwuchspflege wurde vernachlässigt, neue Regiekonzepte hatten keine Chance auf Realisierung. Um 1960 war das Publikum nicht mehr gewillt diese Einschränkungen hinzunehmen, es war den Anbietern weit voraus, hatte längst die inspirierenden und innovativen französischen oder italienischen Filme im Blick. Blind und uneinsichtig lastete die Filmindustrie eine selbstproduzierte Krise dem Fernsehen an.“ (Karl Prümm, in: Geschichte des deutschen Films, S.508)

Aus dieser Zeit stammt der inzwischen legendäre Satz des deutschen Filmkritikers Joe Hembus über den deutschen Film: „Er ist schlecht. Es geht ihm schlecht. Er macht uns schlecht. Er wird schlecht behandelt. Er will auch weiterhin schlecht bleiben.“ (1961)

Papas Kino ist tot

 

Wie eine Antwort darauf wirkt das „Oberhausener Manifest“ vom 28. Februar 1962 unter dem Motto „Papas Kino ist tot“. Proklamiert wurde es während der Westdeutschen Kurzfilmtage in Oberhausen von einer Gruppe junger Filmemacher, die mit ihren Kurzfilmen und Dokumentarfilmen auf internationalen Festivals Erfolg hatten u.a. Alexander Kluge, Edgar Reitz, Haro Senft, Peter Schamoni und Herbert Vesely. „ Wir erklären unseren Anspruch, den neuen deutschen Spielfilm zu schaffen.“ Sie forderten einen Neuanfang für sich und eine andere Art der Filmproduktion. 

Die Reaktionen der Filmjournalisten und arrivierten Produzenten waren zurückhaltend bis abweisend. Es dauerte noch mehrere Jahre bis diese jungen Regisseure mit ihren ersten abendfüllenden Spielfilmen an die Öffentlichkeit traten, darunter „Es“ von Ulrich Schamoni, „Der junge Törless“ von Volker Schlöndorf und „Mahlzeiten“ von Edgar Reitz.

Der „Neue Deutsche Film“

 

Großen Einfluss auf die Entwicklung des „neuen deutschen Films“ hatte das 1965 gegründete „Kuratorium Junger Deutscher Film“. Sein Ziel war die Förderung von künstlerischen Entwicklungen des deutschen Films und des filmkünstlerischen Nachwuchses. Allein zwischen 1966 und 1968 entstanden mit seiner Unterstützung zwanzig Filme. „Abschied von gestern“ von Alexander Kluge war der erste vom Kuratorium geförderte Film. Das Kuratorium existiert bis heute.
1968 trat das Filmförderungsgesetz in Kraft. Es sah eine Abgabe der Kinobesitzer vor, mit der erfolgreiche Filme gefördert wurden. Nach wie vor wurden allerdings die kommerziell erfolgreichen Filme bevorzugt, während es innovative Produktionen und unbekannte Regisseure schwer hatten. 

Während es dem deutschen Film also schlecht ging, ließen sich interessante Entwicklungen beim Fernsehen beobachten. Das Fernsehspiel bot Regisseuren in diesen Jahren die Möglichkeit, neue Formen auszuprobieren, formale und inhaltliche Experimente zu wagen und relativ frei von ökonomischen Zwängen zu produzieren. Junge Regisseure, die in den folgenden Jahren die deutsche Filmlandschaft prägen werden, fingen in dieser Zeit an, fürs Fernsehen zu arbeiten, u.a. Klaus Lemke, Rainer Werner Faßbinder, Peter Lilienthal und Hans W. Geissendörfer.