„Heißes Pflaster Köln“ ist einer von mehreren Filmen der 1960er-Jahre, die mit reißerisch aufgemachten Titeln ihre Geschichten im „verdorbenen“ Großstadtleben verorteten. Der Spielfilm dreht sich...
Literarische Vorlage des Films "Nicht versöhnt Oder es hilf nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" ist der Roman von Heinrich Böll „Billard um halb zehn“ (1959).
Erzählt wird die drei Generationen umspannende Geschichte einer Kölner Architektenfamilie von 1907 bis 1958 – und damit auch ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte. Heinrich Fähmel erhält 1907 den Auftrag eine Abtei zu bauen, sein Sohn Robert zerstört sie als Sprengmeister der Wehrmacht in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges, Enkel Joseph soll beim Wiederaufbau helfen.
Daneben geht es um die Geschichte Roberts, der als Jugendlicher wegen „Verschwörung“ zunächst fliehen muss, dank guter Kontakte der Eltern aber zurückkehren kann, während sein Freund auch noch nach dem Krieg auf der Fahndungsliste steht. Der ehemalige Mitschüler und Denunziant der beiden kommt nach dem Krieg zu Amt und Würden.
Während Vater und Sohn Fähmel sich mit den jeweiligen politischen Gegebenheiten arrangieren, leidet Johanna Fähmel, Ehefrau des alten Fähmel an Tod und Zerstörung ebenso wie an den Zuständen der Nachkriegsgesellschaft. Sie greift schließlich zur Pistole, um den Verräter ihres Sohnes zu erschießen.
Komplexe Zeitstruktur
In ihrem ersten langen Spielfilm finden Jean-Marie Straub und Danièle Huillet eine äußerst komprimierte Form der Umsetzung. Die komplexe Zeitstruktur des Romans verknüpft die verschiedenen Erinnerungsebenen und Themenstränge miteinander. In dem 50-minütigen Film wird dies durch den übergangslosen Wechsel der Zeitebenen aufgegriffen: die filmische Erzählung springt von 1914 zu 1958, von den dreißiger Jahren in die Fünfziger. Gegenwart und Vergangenheit sind miteinander verwoben und stehen dadurch in direkter Beziehung zueinander.
Dazu Jean-Marie Straub:
„Ich hatte im Drehbuch fast jedes Mal eine Überblendung vorgesehen, um von der Gegenwart zur Vergangenheit zu kommen. Am Schneidetisch habe ich die Überblendungen dann einfach weggelassen. Ich habe bewußt darauf verzichtet, durch Überblendungen Gegenwart und Vergangenheit zu verbinden. Ich wollte, und das ist sehr wichtig, Vergangenheit und Gegenwart in einer Ebene darstellen.“ (Karl Stamm, 2009, S.120).
Laien als Darsteller
Ungewöhnlich sind auch die Auftritte der Darsteller und ihre Sprechweise. In dem Film treten nur Laiendarsteller auf – vom Theater- und Filmkritiker Henning Harmssen, den Kölner Fotografen Chargesheimer und dessen Vater Heinrich Hargesheimer über Martha Ständner und Danièle Huillet selbst bis zu den Filmkritikern Ulrich von Thüna und Joe Hembus. Ihr Sprachduktus wirkt oft künstlich, deklamierend, einige von ihnen reden mit starkem kölschen Akzent – ausgesprochen selten, nicht nur für damalige Filme. Gedreht wurde in Köln in verschiedenen Hotels – im Senatshotel Unter Goldschmied, im Excelsior und auf dem Balkon des Domhotels, am Rhein und an der Severinsbrücke.
Ulrich von Thüna, der Darsteller des Emigranten Schrella erinnert sich: „Der Dreh ging am 14. August los ... und (ich) fuhr dann nach Köln ins Senats-Hotel zu einer Szene im Off und einer im On... Ende August wurde dann auf dem Ring in größter Hitze eine Autofahrt gedreht und eine Szene im Klingelpütz, jenem berühmten Kölner Traditionsgefängnis, das wenige Jahre später abgerissen wurde.“ (Kinozeitschrift „24“, Nummer 14, 1997)
Vom Buch zum Film
Der Weg vom Roman zum Film verlief nicht geradlinig. Über die Art der Absprachen existieren verschiedene Versionen. In der Wochenzeitung "Der Spiegel" wird 1965 folgende Szenerie geschildert:
"Um Böll von Straubs 'zudringlichen Attacken zu befreien' (so Witsch), einigten sich die drei Männer schließlich erneut. Straub sollte eine Filmprobe herstellen. Witsch: 'Zehn Minuten.'
Aus den Probe-Minuten wurde eine halbe Probe-Stunde, Nach der ersten Vorführung war Witsch 'befremdet', Böll 'unsicher'. Zur zweiten Vorführung kam Böll mit Sachverständigen und Straub mit Freunden. Verleger Witsch beurteilte das Filmfragment als 'dilettantisch und laienhaft'".
Kontroverse Kommentare
Der Film führte bei seiner Premiere in Berlin 1965 während der Berlinale zu heftigen Kontroversen. Er stieß auf heftigste Ablehnung vieler Zuschauer, enthusiastische Zustimmung weniger und löste einen Streit zwischen Böll-Verleger Witsch und Straub / Huillet aus. Angeblich hatte der Verleger die Vernichtung der Kopie gefordert, da sich Straub nicht an die Zusage gehalten habe, die Fassung nicht öffentlich zu zeigen. Nach Einigung mit dem Verlag haben Straub /Huillet dem Film schließlich als deutlichen Hinweis ein Zitat von Bertolt Brecht vorangestellt: „Anstatt den Eindruck hervorrufen zu wollen, er improvisiere, soll der Schauspieler lieber zeigen, was die Wahrheit ist: er zitiert.“
Böll selbst reagierte eher zurückhaltend. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb er: "Was den 'deutschen Film' (merkwürdiger Terminus, das klingt so nach 'Die deutsche Frau raucht nicht') – was also ihn, diesen 'deutschen Film' betrifft, so fühle ich mich nicht nur nicht berufen, sondern ganz und gar außerstande, ihn zu 'retten'. Mein Vater hätte gesagt: 'Verkorkstes Gewerbe'; ich sage: rettungslos verloren, weil man in diesem Lande nicht begreift und niemals begreifen wird, daß es nie darum geht, Produzenten und Verleiher zu stützen, sondern die schöpferischen Kräfte." (22.7.1965)
"Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" zählt zu den außergewöhnlichen fiktionalen Filmen aus Köln. Es ist eine Produktion, die weit mehr ist als ein historisches Dokument des frühen „neuen deutschen“ Films: ein wesentliches Beispiel deutscher Filmgeschichte und filmischer Ästhetik.