Literarische Vorlage des Films "Nicht versöhnt Oder es hilf nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" ist der Roman von Heinrich Böll „Billard um halb zehn“ (1959).
Erzählt wird die drei Generationen...
Nach mehreren Kurzfilmen und zwei langen Spielfilmen drehte Klaus Lemke mit „Brandstifter“ seinen dritten langen Film für die Fernsehspiel-Redaktion des WDR. Zahlreiche weitere Fernsehfilme für WDR und ZDF werden folgen.
In „Brandstifter“ nimmt Klaus Lemke direkten Bezug zu den Kaufhausbrandstiftungen in Frankfurt im April 1968 – an denen u.a. die späteren Rote Armee Fraktion-Mitbegründer Andreas Baader und Gudrun Ensslin beteiligt waren. Es war eine ausgesprochen schnelle Reaktion – bereits im Mai 1969 wird der Film im WDR gesendet.
Im Mittelpunkt des Films steht eine Gruppe Studierenden in Köln – die meisten politisch aktiv, im SDS, bei Aktionen in der Universität, bei „Go-ins“ oder mit Einzelaktionen und Agitationsfilmen. Die Studentin Anka (Margarethe von Trotta) legt kurz vor Weihnachten in einem Alleingang einen Brandsatz in einem Kölner Kaufhaus, da sie nicht mehr tatenlos zusehen, nicht mehr nur mit Worten die Welt verändern will. Währenddessen zitieren ihre männlichen Kommilitonen Hegel und Adorno. Sie debattieren kontrovers über Formen des Widerstandes, um die autoritären Strukturen des Universitätssystems bloß zu legen.
Kurzzeitig zieht ein junges Mädchen aus Hamburg (Iris Berben) bei Anka und ihrem Freund ein und bringt mit ihrer naiv-individualistischen Art die Gruppe durcheinander. Auf die Frage „Was machst du?“ antwortet sie: „Ich mache nicht mit“. Als die Staatsanwaltschaft der Gruppe auf die Spur kommt, da der Brandsatz in einem ihrer Agitationsfilme aufgetaucht ist, führt das zu keinerlei sichtbaren Konsequenzen. Anka sagt zwar aus, doch sie fühlt sich nicht ernst genommen: „Ich will ja aussagen, aber Sie stellen die falschen Fragen“.
Pop Art, Poster, Rolling Stones
„Brandstifter“ spielt mit Zitaten und Requisiten der Pop-Kultur: Plattencover, Andy-Warhol-Motive in einer Galerie, Comics, die über ein Che Guevara-Poster geklebt werden, bildfüllende Werbeplakate – und immer wieder Songs von den Rolling Stones und Bob Dylan.
Der Film ist „angefüllt von Chiffren, die den Lifestyle der Studenten charakterisieren, aber, in dem sie Authentizität signalisieren, immer wieder auf die Ebene des Zitats ausweichen müssen... Unübersehbar ist die Affinität von „Brandstifter“ zur Werbung, die immer wieder ins Bild drängt – und dem Film eine fast surreal zu nennende Pop-Art-Komponente verleiht,“ kommentiert Ulrich Kriest rückblickend 2006.
„Brandstifter“ überrascht heute mit seiner Mischung aus Agitationsszenen, langen politischen Monologen, beiläufig verrückten Aktionen in der Öffentlichkeit, Konsumkritik und Sequenzen, in denen es mehr auf die vertretene Position als auf schauspielerische oder filmische Qualitäten anzukommen scheint.
Drehort Hohe Straße
Wie in zahlreichen Filmen, die in Köln gedreht wurden, spielt auch hier eine wichtige Sequenz auf der Hohe Straße (z.B. in „Heißes Pflaster Köln", „Der Unfall“) – Inbegriff der Konsumwelt mit Schaufenstern und flanierenden Passanten. In „Brandstifter“ sind es die junge Iris und zwei Studierende, die mitten unter den Einkaufenden mit der Kamera eine fiktive Filmszene vorspielen.
Daneben gibt es die ein oder andere Szene auf der Straße, beim Einkaufen oder am Rheinufer. Wichtiger als Außenaufnahmen sind in diesem Film allerdings die Szenen und Dialoge, die sich zwischen den Personen in den Innenräumen, in der Uni und in den Wohnungen abspielen.
Politischer Film oder politische Figuren?
Der Film war eine ausgesprochen schnelle Produktion, gedreht in den ersten Monaten des Jahres 1969, strahlte der WDR das Fernsehspiel bereits am 13. Mai 1969 aus. Auf die Frage, ob sein Film politisch sei, antwortet Regisseur Klaus Lemke 1969: „Nein, das ist sicherlich kein politischer Film. Die Leute in meinem Film – die sind politisch.“
Die Reaktionen waren verhalten, mancher Kritiker äußerte sich drastisch: „Herrn Lemkes dreiste Anbiederung bei SDS-Anhängern und oppositionellen Einzelgängern, sein geheucheltes Verständnis für die Konflikte junger Leute... muß der protestierenden Minderheit widerwärtiger sein als die hitzigste, hämischste Ablehnung durch das Bürgertum“, so Kritiker B.W. in der Süddeutschen Zeitung am 16.5.1969.
Deutlich anders fällt die Beurteilung vierzig Jahre später aus, wenn Ulrich Kriest schreibt: „Dieses Widerspiel von Annäherung und gleichzeitiger Distanzierung prägt den Film „Brandstifter“, der ratlos Ratlosigkeit registriert, weil er sich eben für die „attitudes“, nicht aber für die „issues“ der Akteure interessiert. Offen muss bleiben, ob nun der Film oberflächlich ist oder doch eher diejenigen, die er zeigt. ... „Brandstifter“ ... wirkt heute wie eine Flaschenpost aus längst vergangener Zeit, deren bei aller kunterbunten Hipness umfassenden Ratlosigkeit heute mehr über das Ende von 1968 erzählt, als man sich vielleicht 1969 eingestehen konnte oder wollte.“