Passanten-Umfrage in Köln zu der Frage: Was verbinden Sie heute mit dem Begriff "Kristallnacht"? Gefragt wurden jüngere und ältere Menschen, die zum Teil wenig sagen konnten oder auch nur sehr...
Der Film beginnt mit Bildern vor dem Kölner Rathaus: Prinz, Jungfrau und Bauer besteigen umringt von einer großen Menschenmenge und Trommelgruppen den offenen Wagen. Es folgen Aufnahmen des Zuges: am Straßenrand stehen dicht gedrängt die Menschen (nicht verkleidet) und winken den kostümierten Fußgruppen und Wagen zu.
Das Motto des Rosenmontagszuges 1936 lautete: „Alt Kölle läv en Spröch un Zitate“. Es wird von einem Schildträger präsentiert, gefolgt von der ersten Gruppe, den Blauen Funken, einem Kölner Traditionskorps, das traditionell die Spitze des Zuges bildet sowie weiteren Gruppen.
Entdeckung in Bremen
Im Rahmen einer Recherche zur Kölner Filmgeschichte hatten wir Kontakt mit dem Klemens Lindenau-Archiv in Bremen aufgenommen, das dort im ehemaligen Filmarchiv des Landesinstituts für Schule (Zentrum für Medien/LIS) angesiedelt ist und heute „Landesfilmarchiv Bremen (Die Senatorin für Kinder und Bildung)" heißt. Wir erhielten eine Liste mit Filmen, die Köln-Bezüge haben. Auf dieser Liste befand sich u.a. der Hinweis auf einen (Stumm-)Film aus den 1930er-Jahren mit Aufnahmen zum Kölner Karneval, der im Filmarchiv des Landesinstituts für Schule Bremen lagerte.
Die unbeschriftete Filmrolle war dem Filmarchiv, so ergaben Nachforschungen, vom Sohn eines Mitarbeiters der Werbeabteilung des Norddeutschen Lloyd übergeben worden. Das legt die Vermutung nahe, dass der Film – ausgestattet mit Zwischentiteln in deutscher und englischer Sprache – auf der NDL-Nordamerika-Linie Bremerhaven – New York als Teil des Unterhaltungsprogramms den Passagieren präsentiert wurde.
Die Filmaufnahmen wirken professionell, zahlreiche Aufnahmen aus leicht erhöhter Position bieten einen Überblick über das Geschehen, die Kamera schwenkt an den Wagen entlang, ab und zu scheint der Kameramann auch direkt am Straßenrand zu stehen.
Historische Einordnung
Bei einer ersten Sichtung des Films, dessen Anfangssequenzen das Kölner Dreigestirn, Prinz, Bauer und Jungfrau, zeigen, stellte sich heraus, dass es sich bei dem Prinzen um Fritz Riese handelt, der 1936 dieses Amt bekleidete.
Noch bedeutsamer aber war, dass im Film auch der Mottowagen „Dem ham se op d’r Schlips getrodde“ gezeigt wird, ein berüchtigter antisemitischer Wagen aus dem Rosenmontagszug 1936, der auf die im Jahr zuvor erlassenen Nürnberger Rassegesetze anspielte. Von diesem Wagen und anderen antisemitischen Äußerungen im Kölner Karneval zwischen 1933 und 1939 gab es bis dahin nur einige wenige Fotos. Mit dem Film liegen nun erstmals bewegte Bilder vor, die die weitgehende Anpassung des Kölner Karnevals an die NS-Ideologie verdeutlichen – er ist somit ein weiterer wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Kölner Karnevals, die lange Zeit tabuisiert wurde.
Aufgrund dieser ersten Erkenntnisse hat Köln im Film in Zusammenarbeit mit dem Festkomitee Kölner Karneval eine ausführliche, minutiöse Auswertung des Films initiiert, die von Fachleuten des Kölner Karnevalsmuseums, dem Historiker Marcus Leifeld (der ein Dissertation zum Thema Kölner Karneval in der NS-Zeit verfasst hat) sowie den Historikern Fritz Bilz und Carl Dietmar vorgenommen wurde.
Im Anschluss hat die Gruppe Filmsirup zu dem Film neue Filmmusik komponiert und eingespielt.
Im Rahmen der Auswertung wurde deutlich, dass das 12-minütige Material in der Tat hauptsächlich Aufnahmen des Rosenmontagszuges 1936 enthält. Vor allem Markus Leifeld wies aber darauf hin, dass von Minute 4:53 bis Minute 6:18 Wagen und Gruppen gezeigt werden, die nicht im Programmheft des Zuges von 1936 aufgeführt sind.
Ab Minute 4:53 wird ein Wagen 8 gezeigt, der den NS-Funktionär Willi Ebel als Schützenkönig von Sülz-Klettenberg darstellt – dieser Wagen fuhr aber bereits in den Schull- und Veedelszügen des Jahres 1933 mit (dem am Sonntag vor Rosenmontag stattfindenden Umzug, an dem Kölner Schulen und kleinere Vereine aus den Stadtvierteln teilnehmen dürfen).
Der Wagen „Zillche vun der Wolkenburg“ (5:15ff.) wurde für den Rosenmontagszug 1934 gebaut, ebenso der Wagen 21: „Riesen schrubbt die Stadt sauber“ (5:35-5:40), der den 1933 eingesetzten OB Günter Riesen als „Saubermacher“ präsentiert.
Dass man im 1936er Umzug Wagen aus früheren Jahren nochmals mitfahren ließ, ist so gut wie undenkbar; es deutet also alles darauf hin, dass die ungenannten „Filmemacher“ auch Aufnahmen aus dem Jahre 1934 verwendeten (bis etwa 6:18).
Ab Minute 6:30 sind dann wieder Gruppen und Wagen zu sehen, die eindeutig dem Rosenmontagszug von 1936 zuzuordnen sind, beginnend mit der 3. Gruppe „God Duve kumme widder!“ Bemerkenswert ist auch, dass der Kölner Redner Karl Küpper, der als einziger Karnevalist den Nazis die Stirn bot, im Zug auftritt, auf einem Kamel reitend (7:43-7:49).
Nach weiteren Wagen kündigt dann ein Schildträger den 13. Wagen an: „Däm ham se op d´r Schlips getrodde“, auf dem ein Paragraphenzeichen, ausgestattet mit gestiefelten Beinen, einem durch eine Hakennase als Jude gekennzeichneten Mann auf den Schlips tritt (8:29-8:46) – womit in perfider Weise die Nürnberger Rassegesetze kommentiert wurden, die im September 1935 erlassen worden waren. Sie bildeten die gesetzliche Basis für die Ausgrenzung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. Als Folge davon hatten auch die Kölner Karnevalsgesellschaften „nicht-arische“ Mitglieder auszuschließen. Den Wagen verantwortete der Festausschuss Kölner Karneval, der Entwurf stammte von Franz Brantzky.
Restaurierung, Sicherung, Präsentation mit neu komponierter Filmmusik
Das Landesfilmarchiv Bremen (Die Senatorin für Kinder und Bildung) hat uns das Material zur Verfügung gestellt, es wurde mit Unterstützung des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport NRW und des Festkomitees Kölner Karneval von 1823 e.V. restauriert und digitalisiert.
Im Dezember 2014 präsentierte Köln im Film das historische Materail gemeinsam mit dem Festkomitee im NS-Dokumentationszentrum und im Kölnischen Stadtmuseum.
Die Gruppe Filmsirup bekam den Auftrag, zu dem Film neue Filmmusik zu komponieren und einzuspielen.