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Beispiel einer „Arisierung“: Firma Brenner

 
 

Firma Brenner – Fotowarenhandel, Auszug aus: „Arisierung“ in Köln – Die wirtschaftliche Existenzvernichtung der Juden 1933-1945“
von Britta Bopf

Der Familienbetrieb Brenner in der Hohe Straße in Köln betätigte sich mit seinen Filialen, seinen rund 60 Angestellten und diversen helfenden Familienmitgliedern 1033 als zweitgrößtes Unternehmen in Deutschland im Handel mit Fotozubehör und Entwicklung.
Die Firmengründer Raphael und Leo Brenner waren Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts im Kleinkindalter mit ihrer Familie aus Polen nach Köln gekommen, wo sich der Vater mit einem kleinen Altwarengeschäft niederließ. 1919 gründeten die beiden Brüder als gleichberchtigte Partner eine Handelsgesellschaft, die, ausgehend vom lukrativen Verkauf optischer Geräte deutscher Fabrikation an die im Rheinland stationierten Briten, rasch expaniderte. 
Durch Innovationsfreudigkeit in der Werbung und im Kundenservice, durch ein modernes Abzahlungssystem und Versandservice sowie durch die umfassende Angebotspalette an fototechnischem und optischem Bedarf verbreiterte die Familie Brenner trotz der wirtschaftlichn Turbulenzen der Weimarer Jahre ihre Existnezgrundlage. Die Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft und der Umstand, dass die Brüder trotz Weltkriegsteilnahme auf deutscher Seite polnische Staatsbürger waren, wirkte sich dabei für die beiden vor 1933 keineswegs nachteilig aus. 

Die Nationalsozialisten nutzten die polnische Herunft jedoch als willkommenen Anlass, um die erfolgreiche jüdische Unternehmerfamilie zweifach zu diffamieren. Entscheidende Hilfestellung leistete die neu formierte Betriebszelle in der Firma, die als Arbeitnehmervertretung gegen die jüdischen Firmeninhaber agierte und spionierte. Sie lieferte der NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation) angeblich belastendes Material dafür, dass die Brüder Brenner „arische“ Arbeiter ausnutzten. Die im Frühjahr 1933 angestrengte Klage der NSBO gegen das Unternehmen wurde jedoch abgewiesen. Eine weitere Anklage wegen unlauterer Werbung folgte. 
Nachdem eine unter Aufsicht der Handelskammer durchgeführte Zählung ergeben hatte, dass die Firma Brenner, wie in ihren Inseraten angegeben, tatsächlich 1000 Fotoapparate im Angebot hatte, verlegten sich die NSDAP-Aktivisten verstärkt auf informelle Maßnahmen. Nächtliche Hausdurchsuchungen von Partei- und SA-Mitgliedern, die Leo Brenners angebliche Devisenschiebereinnahmen zu Tage fördern sollten, und die zweimonatige Inhaftierung eines in der Firma beschäftigten Cousins zermürbten die Familie. Leo Brenner beantragte als Erster ein Zertifikat für Palästina und die USA, verlegte seinen Wohnsitz nach Dortmund und schickte seine beiden Söhne illegal über Triest nach Palästina.

Die anhaltenden Boykottaufrufe, eine umfangreiche Pressekampagne und Einschränkungen bei der Werbung bewirkten erste Umsatzrückgänge, auf die das Unternehmen im Juni 1933 mit Personalentlassungen reagierte. Nachdem Raphael Brenner dem Druck des NSBO zur Widereinstellung nicht nachgegeben hatte, wurde er deshalb am 11.Juni 1933 wegen angeblicher Wirtschaftssabotage verhaftet und für einen Tag inhaftiert. Am 13.Juni folgte eine erneute „Schutzhaft“, nun wegen angeblicher Hehlerei mit Heeresgut nach England. Wähend seiner 18 Tage dauernden Einzelhaft im Klingelpütz wurde Raphael Brenner unter größtem seelischen Druck erpresst, sein persönliches und geschäftliches Vermögen zu verkaufen. 
Angesichts der drohenden Überstellung in das KZ Dachau unterschrieb er schließlich im Gefängnis im Beisein von Gestapo- und NSBO-Vertretern am 26.Juni 1933 den vorbereiteten Kaufvertrag. Statt dem geschätzten WQert von 200 00 RM war der Kaufpreis auf 60 000 RM festgesetzt worden. Später zeigte sich, dass die Familie Brenner rechtliche Schritte einleiten musste, um selbst diesen geringen Betrag zu erhalten. Bevor Raphale Brenner aufgrund der fortgesetzten Intervention einiger Geschäftsfreunde aus der fotografischen Industrie das Gefängnis verlassen konnte, wurde er gezwungen, schriftlich zu bestätigen, dass er „keine schwere Zeit mitgemacht“ habe.  
Die neuen Besitzer, die stolz der Presse vermeldeten, dass das Unternehmen unter Mitwirkung des NSBO „arisiert“ worden sei, behielten den renommierten Namen der jüdischen Gründer als Zusatz im Firmenlogo. Erst 1935 strichen sie diesen auf behördlichen Druck.

Dass die polnische Staatsangehörigkeit der Brenners einen entscheidenden Faktor dafür bildete, dass die jüdische Unternehmerfamilie frühzeitig und auf brachiale Weise ausgeschaltet wurde, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die generell ungleich schräferen Repressionen gegen osteuropäische Juden und die Tatsache, dass für 1933 in Köln keine weitere „Arisierung“ eines Unternehmens dieser Größenordnung bekannt ist, bei der mit solch roher Gewalt vorgegangen wurde, spricht für diese Vermutung. Andererseits ist jedoch auch der Umstand, dass der Käufer als ambitionierter Konkurrent auf die Unterstützung der örtlichen Parteiorganisation zugreifen konnte, nicht zu vernachlässigen. 

Leo Brenner eröffnete nach seiner Auswanderung mit seiner Familie ein Fotozubehörgeschäft in Haifa. Aufgrund des allgemeinen Überangebots an Fotoapparaten, die Immigranten bevorzugt als Wertanlage mit nach Palästina brachten, konnte die Firma die die Größe der Kölner Vorgängerin erreichen. Dagegen schien der Bruder Raphael Brenner mit seinem in Rom eröffneten Fotohandel, der nach viereinhalb Jahren 30 Angestellte beschäftigte, mehr Erfolg zu haben. 1938 musste er jedoch erneut den Rassenfanatikern weichen. In Washington baute Raphael Brenner schließlich zum dritten Mal in einem Mal in seinem Leben ein Unternehmen auf.

Auszug aus dem Kapitel „Die Verdrängungsfronten formieren sich (April 1933 bis Ende 1934)“, S.83-87 in „Arisierung“ in Köln – Die wirtschaftliche Existenzvernichtung der Juden 1933-1945“ von Britta Bopf, Köln 2004