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Blickwechsel

 


Der Fall der Mauer 1989 verändert die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation für alle in der ehemaligen BRD und DDR lebenden Menschen, auch für Eingewanderte, Arbeitsmigrant*innen, Asylbewerber*innen  und Kriegsflüchtlinge. In den folgenden Jahrzehnten kommt es zu zahlreichen rechtsradikalen Übegriffen und Gewalttaten. Sie machen deutlich, was in beiden Teilen des Landes versäumt wurde – die Umsetzung von Anerkennung und Gleichberechtigung der Einwander*innen als Ausdruck von gesellschaftlichem und politischem Willen. Die Brandanschläge und Morde von Mölln, Rostock-Lichtenhagen und Solingen stehen exemplarisch für die rassistischen Angriffe auf Asylsuchende und Geflüchtete, auf Menschen anderer Herkunftsländer, die bis heute nicht aufgehört haben.

Sichtbar – Hörbar

 

Ab Ende der 1990er Jahren kommen in Deutschland die ersten Filme von Regisseur*innen aus der zweiten Generation der „Gastarbeitergeneration“ auf die Leinwand, u.a. von Thomas Arslan, Serap Berakkarasu, Fatih Akin und Ayse Polat. Für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgt dabei vorwiegend der deutsch-türkische Film. Perspektiven und Sichtbarkeit ändern sich, werden vielfältiger, auch wenn Klischeebilder in Filmproduktionen sowie stereotype Besetzungen für Schauspieler*innen fortbestehen.

Eine der pointiertesten Stimmen ist für kurze Zeit „Kanak TV“, ein Kölner Ableger des Netzwerks Kanak Attak, das 1998 entstand und bis ca. 2002 aktiv war. In „Philharmonie“ – 40 Jahre Migration“ (2001) befragt das Team von Kanak TV auf der Veranstaltung anlässlich des 40jährigen Jubiläums des Anwerbeabkommens mit der Türkei in der Kölner Philharmonie bekannte und unbekannte Gäste: „Wann wollen sie zurückkehren?“, „Kennen sie die Bibel oder den Begriff Leitkultur?“ und „Ist das Schlagen von Frauen Teil der deutschen Kultur ?“ Die Antworten sind vielsagend, kurz und bündig werden Vorurteile und Unkenntnis deutlich. Ganz ähnlich gehen sie in „Weißes Ghetto“ vor bei einer Straßenbefragung in Köln-Lindenthal (2002).

Rassismus im Blick

 

Die Thematisierung rassistischer Angriffe und Anschlägen auf Wohngebäude mit migrantischer Bewohenrschaft findet ab Anfang der 2000er Jahre in einigen längeren dokumentarischen Arbeiten aus und über Köln statt. Auch Ausgrenzungserfahrungen und Hürden im Einwanderungsland werden behandelt. So beispielsweise in „Zertifikat Deutsch“ von Karin Jurschick (2008) über einen Einbürgerungskurs an der Volkshochschule. Der Film begleitet Teilnehmer*innen eines VHS-Kurses in Köln, die sich mit 600 Stunden Sprach- und 45 Stunden Orientierungskurs auf das „Zertifikat Deutsch“ vorbereiten – 2009 war dieses Zertifikat eine Voraussetzung für ein dauerndes Bleiberecht oder eine Einbürgerung.

 

Mit seinem Dokumentarfilm „Der schwule Neger Nobi“ (2009) lenkt Wilm Huygen den Blick auf die doppete Diskriminierungserfahrung des Protagoisten Andreas Göbel. Als Sohn einer weißen Mutter und einem Schwarzen Vater ist er als Kind in der DDR Außenseiter, als Schwuler nochmals mehr. Schließlich landet er in Köln, wo er einen Kiosk betreibt.

Dem Rassismus in Deutschland nach 1989 widmet Fotograf und Filmemacher Mirza Odabaşı seinen Film „93/13 – 20 Jahre nach Solingen“. Er erinnert darin an den  tödlichen Brandanschlag auf das Wohnhaus der Famiie Genç. Auf seiner Reise durch Deutschland fragt er nach den Folgen des Anschlags, den Auswirkungen bis in die Gegenwart.

 

2011 werden sieben zwischen 2000 und 2006 verübte rasstistische Morde der rechtsextremen Terrorgruppe NSU zugeschrieben. Der Prozess dauert von 2013 bis 2018. Während dieser Jahre entstehen Filme, die sich vor allem mit den langjährigen Ermittungen, zahlreichen Ermittlungsfehlern und den Verdächtigungen gegen das familiäre Umfeld der Opfer befassen.  Zwei Dokumentationen widmen sich den beiden rasstistisch motivierten Anschlägen des NSU in Köln.
„Der Kuaför aus der Keupstraße“ (2015) von Andreas Maus rekapituliert die Ereignisse und Folgen des Nagelbombenanschlags vor einem türkischen Frisörsalon in der Kölner Keupstraße am 9. Juni 2004 aus Sicht der Opfer. Er rekonstruiert die Ermittlungen der Polizei anhand der Verhörprotokolle und es wird deutlich, dass für die Polizei in erster Linie die Opfer als Täter in Frage kamen. Aussagen der Anwohner*innen aus den Vernehmungsprotokollen werden von Schauspieler*innen vorgtragen, was ihnen eine zusätzliche Präsenz und Allgemeingültigkeit verleiht.

In einem, von einer aus dem Iran stammenden Familie geführten Kiosk in der Probsteigasse in Köln ereignete sich im Januar 2001 der erste Sprengstoffanschlag des NSU. „Nachbarn fürs Leben“ (2016) von Erwin Michelberger porträtiert Menschen in der kleinen Straße, Bewohner*innen erinnern sich, erzählen von ihrem heutigen Alltag und ihrer gelebten Nachbarschaft.