Im Streit mit seiner Frau Burcu spricht Oray die muslimische Scheidungsformel "talaq" aus. Der örtliche Imam in Hagen erklärt ihm, dass das eine dreimonatige Trennung zur Folge haben muss....
Fiktionale Produktionen
Die in der KHM und ifs produzierten Spielfilme, die in Köln angesiedelt sind, erzählen unterschiedlichste Geschichten: vom Einfluss der Arbeitslosigkeit auf die Persönlichkeit, vom Konflikt zwischen Glauben und Liebe, von Erinnerungen und der Suche nach einem passenden Ort im Leben. Ihre stilistischen Mittel sind dabei so unterschiedlich wie die Themen.
„Oray“ von Mehmet Akif Büyükatalay, 2018, KHM
Im Streit mit seiner Frau Burcu spricht Oray die muslimische Scheidungsformel „talaq“ aus. Der örtliche Imam in Hagen erklärt ihm, dass das eine dreimonatige Trennung zur Folge haben muss. Während Burcu für solche religiösen Regeln kein Verständnis hat, fühlt sich Oray seinem Glauben verpflichtet. Er lässt sich auf die vorläufige Trennung ein. Den Umzug nach Köln sieht er als Neuanfang, will seine kleinkriminelle Laufbahn hinter sich lassen. Er findet einen Job und eine Wohnung und erwirbt sich Respekt in einer konservativen Gemeinde.
In der geschlossenen Männerwelt findet er Halt und kümmert sich um einen jüngeren Glaubensgenossen. Als seine Frau ihn in Köln besucht wird deutlich, dass ihre Beziehung noch immer besteht. Oray ist hin und hergerissen zwischen Glaube und Liebe.
KHM-Absolvent Mehmet Akif Büyükatalay stellt in seinem Debutfilm „Oray“ diesen Zwiespalt dar, der zugleich die Suche nach einem Platz im Leben ist.
Zejhun Demirov erhielt 2018 den First Steps Award als bester Nachwuchsdarsteller, der Film wurde auf der Berlinale 2018 als bester Erstlingsfilm ausgezeichnet.
„Über uns das All“ von Jan Schomburg, 2011, KHM
Martha und Paul leben in einer glücklichen Beziehung, sie als Lehrerin, er hat gerade erfolgreich seine Promotion als Mediziner beendet. Sie haben eine gemeinsame Wohnung, einen netten Freundeskreis, lieben sich. Das Angebot, als Arzt nach Marseille zu gehen, ist attraktiv, auch Martha hat Lust auf etwas Neues. Während Paul schon vor fährt, löst sie die Wohnung auf.
Doch dann steht die Polizei vor ihrer Tür und alles ist anders, der Mann mit dem sie ihr Leben geteilt hat: ein Phantom. Ihre Welt bricht zusammen. Und sie lernt Alexander kennen. Martha stürzt sich in eine neue Beziehung, sucht einen Weg, um aus der Trauer und den Zweifeln heraus zu kommen.
„Über uns das All“ ist das Spielfilmdebut des KHM-Absolventen Jan Schomburg, gedreht wurde u.a. in Köln. Der Film erhielt im April 2013 das Eberhard-Fechner-Förderstipendium der VG-Bild-Kunst.
„Romeos“ von Sabine Bernardi, 2011, ifs
Lukas, gerade 20 Jahre alt geworden, tritt voller Tatendrang sein neues Großstadtleben an. Doch der Start ist verpatzt: als einziger Junge wird er nicht im Zivi-, sondern im Schwesternwohnheim einquartiert. Lukas, der als Mädchen geboren wurde und dank Testosteron gerade seine männliche Pubertät erlebt, wird zwar als Mann gelesen, ist jedoch noch im Besitz weiblicher Geschlechtsorgane.
„Romeos“ ist nicht nur ein Film über sexuelle Wirrungen und das Erwachsenwerden eines jungen trans Manns, sondern auch ein Film über Liebe, Freundschaft und die Suche nach Identität, fernab von konventionellen Rollenklischees. Der Wunsch, seinen Platz im Leben zu finden, wird hier als selbstbewusste Forderung an das Leben formuliert.
Für ihr Treatment hat Sabine Bernardi 2007 den mit 15.000 Euro dotierten KölnFilm-Drehbuchpreis erhalten. Mit schmalem Budget drehte das Team im Sommer 2010 in Köln und Umgebung.
„People on Sunday“ Episodenfilm, 2010, ifs
Studenten und Studentinnen der ifs drehten 2010 mit amerikanischen Filmstudierenden der University of California in Los Angeles in Anlehnung an den Stummfilm „Menschen am Sonntag“ (1930) eine moderne Version des Kompilationsfilms in Köln.
Köln am Sonntag: das ist ist Partystimmung beim Public Viewing der WM-Begegnung Deutschland gegen Spanien, Idylle im Grüngürtel, weitläufig am Rheinufer. Und immer geht es um Beziehungen - eine neue, die sich anbahnt, eine, die auf die Probe gestellt wird, eine alte, die aufgearbeitet werden muss.
Regie führten: Nancy Mac Granacy-Quaye, Lucas Mireles, Johannes F. Sievert, Iliana Sosa.
Die Kurzfilme wurden zur Premiere in Los Angeles und in Köln gezeigt. Betreut wurde die Summer School von Gundolf S. Freyermuth, Professor an der ifs, finanziert hat sie die Landesregierung NRW.
„Kriegerstock“ von Joseph Lippok, 2009, ifs
Die alleinstehende Künstlerin Astrid lebt in Köln. Als sie ihren demenzkranken Vater aus dem Heim zur Pflege zu sich nach Hause holt, gerät ihr Leben aus den gewohnten Bahnen. Der alte Mann braucht sowohl im Bad als auch beim Essen Hilfe, verwechselt sie ständig mit ihrer Schwester, erzählt immer wieder die gleiche Geschichte. Astrid kann nicht mehr richtig arbeiten, wird ständig durch ihren Vater vor neue Herausforderungen gestellt und gerät zunehmend an den Rand ihrer Beherrschung.
Als sie ihn wieder einmal alleine auf der Straße herumirrend findet, nimmt sie sich schließlich Zeit und hört seinen Geschichten aus seiner Kindheit und dem zweiten Weltkrieg zu. Sie beginnt die Geschichte zu zeichnen, so dass auch er sie wieder erkennt. Gedreht wurde u.a. im Stadtteil Chorweiler.
Das Drehbuch stammt von Nathan Raimann und basiert auf der Graphic Novel „Kriegerstock“, die von seiner Mutter Astrid Raimann gezeichnet wurde. Diese wiederum verarbeitet in den Zeichnungen die familiäre Erfahrung der Pflege des demenzkranken Vaters, der von ihr und ihrem Sohn gepflegt wurde.
In dem kammerspielartigen und dichten Film „Kriegerstock“ treten der Schauspieler Michael Degen und seine Tochter Elisabeth, ebenfalls Schauspielerin, auf.
„Der Boden unter den Füßen“ von Katharina Tillmanns, 2008, ifs
Frido steckt all seine Energie in die Verteidigung seines Hauses gegen die nahenden Bagger des Braunkohletagebaus. Dass vor kurzem auch noch seine Frau gestorben ist, wirft ihn völlig aus der Bahn. Haus und Grundstück zu verlassen, kommt ihm wie Verrat vor. Gefangen in Erinnerungen und dem ausichtslosen Kampf des Bewahrens nimmt er seine Tochter Lisa nicht mehr wahr, versucht, sie auf seine Seite zu ziehen, obwohl sie schon längst andere Pläne hat. Die aber setzt sie aus Verantwortung und Angst um den Vater beinahe aufs Spiel.
Eine kleine Geschichte, die verortet ist in den verlassenen Ortschaften des Braunkohletageabbaus im Westen Kölns. „Der Boden unter den Füßen“ verbindet die Auswirkung dieses massiven Eingriffs in die Landschaft und die daraus folgenden Veränderungen der Lebenssituation mit einem familiären Generationskonflikt.
„Die Umschulung“ von Marion Kellmann, 2006, KHM
Science Fiction oder Realität? Ein Kamerateam begleitet den Langzeitarbeitslosen Martin Thielenbach bei einer Umschulung der ganz besonderen Art. Das Projekt ist einzigartig und zukunftsträchtig: Thielenbach soll zu seiner eigenen Comicfigur umgeschult werden.
„Die Umschulung“ erhielt den 2. Preis beim Interfilm Kurzfilmfestival Berlin 7.-12.11.2006. Die Jurybegründung: „Wir schreiben das Jahr 2006. Hartz IV. Fast 5 Millionen Arbeitslose. Ganz Deutschland ist von Angst besetzt. Ganz Deutschland? Nein. Ein kleines Arbeitsamt im Rheinland leistet Widerstand. Wenn menschliche Existenz zur puren Belastung wird, dann ist ein Problem das sich lösen lässt. In einer eindringlichen Reportage zeigt der Film das Leben eines Langzeitarbeitslosen, der eine aussichtslose Gegenwart gegen eine unendliche Zukunft tauschen darf. Der zweite Preis geht an einen großartigen Lehrfilm über den hoffnungsvollen Weg in die 2D-Existenz.“
„Freitagnacht“ Epsiodenfilm 2002, KHM
„Freitagnacht“ ist eine Regieübung von sechs Studenten und Studentinnen unter Leitung des Regisseurs Wolfgang Becker („Das Leben ist eine Baustelle“). Die sechs Episoden spielen alle während einer Nacht in Köln: Freitagnacht, Auftakt ins Wochenende, der Abend, der schon lange geplant war, der Abend für spontane Begegnungen und besondere Unternehmungen.
Parallel montiert, nehmen die sechs unterschiedlichen Erzählstränge ihren Lauf: Vater und Sohn, die das Wochenende miteinander verbringen, aber nicht wissen, was sie zusammen machen sollen; zwei Freunde, die eigentlich auf ein Konzert wollen, aber dann durch ein Mobiltelefon zu Umwegen gezwungen werden, eine Hochzeit mit Brautentführung und der Erkenntnis der verpassten Chance... Und für jeden der Protagonisten steht am Ende der Nacht eine neue Erfahrung, eine überraschende Begegnung oder eine enttäuschende Entdeckung.
„Freitag Nacht“ ... hat die postmoderne Zitat-Ästhetik Tarantinos hinter sich gelasen. Sein Realismus lässt einerseits Nähe zu Andreas Dresens Film „Nachtgestalten“ erkennen, wagt andererseits aber auch Abstecher ins Stilisierte, ins Melodram ...“ (SZ 28.9.2002, Maik Platzen).
„Vater und Sohn“ von Franz Müller; „Die Betrunkene“ von Jan Martin Scharf; „Taxi“ von Tini Tüllmann; „Die entführte Braut“ von Philipp Schäfer; „Ecstasy“ von Tom Uhlenbruck; „Das Handy“ von Jens Schillmöller.
„Narren“ von Tom Schreiber, 2002, KHM
Der junge Bauzeichner Roman lebt in Köln, ein schüchterner, eigenbrötlerischer Mensch. Richtig Fuß gefasst hat er in der Stadt noch nicht, seine wichtigste Beziehungsperson scheint seine Großmutter zu sein, um die er sich kümmert. Als die Karnevalszeit beginnt, schaut er dem Treiben zunächst distanziert zu. Doch dann zieht es ihn hinaus und er verliert sich im karnevalistischen Leben. Seine Wahrnehmung verzerrt sich, Masken und Gesichter überlagern sich, die Nubbelfigur vor seinem Fenster wird zur Horrofigur. Alptraum und Wirklichkeit sind kaum noch zu unterscheiden.
„Narren“ greift ein typisches Kölner Motiv – den Karneval – auf. Manche Eigentümlichkeit dieser lokalen Tradiiton tritt dabei durch die Perspektive des Nicht-Kölners Roman, durch seinen „fremder Blick“ deutlich zutage. Der Film akzentuiert die eher trostlosen, bizarren Momente und die Tage des närrischen Treibens geraten zu einer düsteren Reise, die durch Farbgestaltung, Bewegung und Perspektive der Kamera betont wird. Eine inzwischen historische Aufnahme enthält der Film durch eine kurze Einstellung vor dem Historischen Archiv auf der Severinstraße, wo das Gebäufe vor seinem Einsturz im März 2009 stand.
„Das weiße Rauschen“ von Hans Weingartner, 2001, KHM
Der einundzwanzigjährige Lukas zieht vom Land in die Großstadt Köln zu seiner Schwester in deren WG. Sein Gefühl: jetzt endlich beginnt das Leben. Gemeinsam mit Schwester und deren Freund erlebt er das städtische Nachtleben mit Partys, Drogen und viel Spaß. Doch nach einem Drogentrip beginnt Lukas plötzlich Stimmen zu hören, die ihn verfolgen und beschimpfen. Er zieht sich zurück, wirkt auf seien Mitmenschene oft seltsam und unvermittelt aggressiv. So randaliert er plötzlich im Foyer des ehemaligen Kinos „Lupe 2“ auf dem Mauritiussteinweg, weil nicht der Film läuft, den er erwartetet hatte und stößt damit sowohl die Kassiererin als auch seine neue Freundin vor den Kopf.
Seine Wahnvorstellungen werden immer massiver, er begeht einen Selbstmordversuch. Ein Psychiater diagnostiziert Schizophrenie, die Krankheit, an der auch seine Mutter litt. Mit starken Medikamenten gelingt es Lukas, die Stimmen zu verdrängen. Doch als er sie absetzt, verschlechtert sich sein Zustand drastisch. Schließlich trifft er auf eine Aussteiger-Gruppe und fährt mit ihr nach Spanien. Hier scheint er Ruhe zu finden.
„Das weiße Rauschen“ übersetzt die Wahrnehmung von Lukas in Bilder und Töne. Nicht nur das „weiße Rauschen“ – Synonym für einen Geräuschpegel, der alle Frequenzen auf einmal enthält –, auch die Kameraperspektive verrückt den Blick auf Umgebung, Menschen und die eigenen vier Wände. Die Montage arbeitet mit Lücken und Sprüngen, die den glatten Handlungsablauf stören.