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Im Spiegel der Wochenschauen

 

Wochenschauen boten im Vorprogramm der Kinos mit der ihnen eigenen Mischung aus Politik, Katastrophen, Kuriositäten und vor allem Sport unterhaltsame Bildergeschichten.

Aus heutiger Sicht haben die Wochenschauen mit ihren Stadtansichten, Straßen- und Alltagsszenen unbestreitbar einen lokal-historischen Wert, auch wenn die städtischen Grenzen eng gesteckt und Kölner Mentalität und Lokalkolorit auf wenige Sujets wie den Dom, den Karneval oder Sportereignisse reduziert wurden.
In der Konfrontation von ostdeutscher und westdeutscher Wochenschau gewinnt die lokale Berichterstattung aus und über Köln aber eine neue Dimension. Denn die latenten, zuweilen auch offen zutage tretenden politischen Zielrichtungen der Wochenschauen im Zeichen weltpolitischer Auseinandersetzungen während des Kalten Krieges wurden offensichtlich – auch in den lokalen Beiträgen.

Wiederaufbau als beliebtes Motiv

 

Mehr als 300 Mal berichteten Wochenschau-Reporter in den fünfziger Jahren aus Köln. Schnell geschnitten, mit dramatischer Musik unterlegt und von Sprechern launig kommentiert, tauchten in den wöchentlichen Magazinen kuriose Beiträge aus Köln auf wie zum Beispiel ein „Jubiläumsrennen mit Mülltonnen“ (1951), „Aparte Hüte – graziöse Katzen“ (1950) und „Hundedressur im Kaiserhof“ (1953).

In den Wochenschauen eröffnete Bundeskanzler Konrad Adenauer die Bundesgartenschau in Köln, erteilte Kardinal Frings bei der Fronleichnamsprozession seinen Segen, bevor Hildegard Knef dann auf der Leinwand im Hauptfilm „sündigen“ durfte.
Daneben standen eher sachliche Berichte, die den Wiederaufbau der Stadt dokumentierten: die „Eröffnung der Mülheimerbrücke“ (1951) und der „Wiederaufbau der Rodenkirchener Rheinbrücke“ (1953), die „Einweihung des Funkhauses des WDR“ (1952) und der „Gedenkstätte für Gefallene der beiden Weltkriege in St. Alban“ (1959), Berichte über Partei- und Gewerkschaftstage, über die Nobelpreisverleihung an den Kölner Chemiker Professor Adler (1950) und das 25-jährige Jubiläum der Firma Ford (1950).

Die Messestadt Köln – Zeichen für die wachsende Wirtschaft

 

Der Wochenschau-Beitrag über die Bundesgartenschau im Jahre 1957 ließ auch die bevorstehende Bundestagswahl nicht unkommentiert. Adenauers Fahrt in der neuen Seilbahn im Rheinpark kommentierte die „Deutsche Wochenschau“ mit den Worten: „Trotz konzentrierter parlamentarischer Arbeit vor der kommenden Bundestagswahl hat es sich der Bundeskanzler nicht nehmen lassen, die Seilschwebebahn über den Rhein selbst auszuprobieren. Sein politischer Gegner, Erich Ollenhauer, saß in der nächsten Gondel.“

Feste Konstanten der Wochenschauen waren auch unterhaltsam aufbereitete Beiträge über das Wirtschaftsleben. Berichte über die Wirtschaftsmessen, die in Köln bald wieder regelmäßig stattfanden, standen hier im Mittelpunkt. Bilder von der Photokina - „das Mekka aller Fotografen“ oder der Anuga, „die Feinschmeckern ein appetitliches Schaufenster bietet“, zeigten staunende Besucher angesichts der ausgestellten Neuheiten wie der vollautomatischen Bonbonabfüllmaschine. Die Beiträge dienten auch der Darstellung des gelungenen Wiederaufbaus und vermeintlichen „Wirtschaftswunders“.

Beliebte Themen: Sport, Kirche und Karneval

 

Sportliche Ereignisse zählten zu den Höhepunkten der Wochenschauen, die von den Sprechern mit zuweilen überschlagender Stimme kommentiert und mit pulsierender Musik unterlegt wurden.

Beliebte Motive waren die Fußballspiele des 1. FC Köln, die deutsche Eiskunstlaufmeisterschaft mit den Siegern Baran und Falk im Jahre 1950, die Segelregatta auf dem Rhein, die Internationalen Tennisturniere mit Gottfried von Cramm und die Boxkämpfe insbesondere mit dem Kölner Boxer Peter Müller – der als Müller’s Aap unbestreitbar zu den Kölner Originalen zählte. Sein Kampf gegen Hans Stretz um die Meisterschaft im Mittelgewicht im Eisstadion 1952, bei dem Müller ausrastete und den Ringrichter Pippow kurzerhand k.o. schlug, wurde legendär. Noch fünfzehn Jahre später war ein Freigang Peter Müllers aus dem Gefängnis der Wochenschau die Meldung wert, dass der wegen Trunkenheit am Steuer 1967 im Kölner Klingelpütz einsitzende ehemalige Boxer eine Kirmes besucht und für seine Fans in einem Bierzelt gesungen hatte.

Gleich nach dem Sport zogen das kirchliche Leben und der Karneval die Kameramänner der Wochenschauen nach Köln. Der Rosenmontagszug mit froh gelaunten Jecken am Straßenrand und in den Sitzungen, schunkelnde Narren, volle Tanzsäle und das „Stippeföttche“ der Prinzengarde prägten das Bild der Stadt als Hochburg des Karnevals. Hatten die britischen Besatzer mit ihrer „Re-education“ versucht, die Kölner auf ihre Mitverantwortung für die Verbrechen des Nazi-Regimes hinzuweisen, so machten sich Kölns Karnevalisten schon kurz nach deren Abzug mit Wagen im Rosenmontagszug darüber lustig. 1950 trug einer der Karnevalswagen die Aufschrift „Der kölsche Tünnes wird entnazifiziert“, wozu ihm eine „Anti-Nazin-Creme“ mit „Humanin extra stark“ verschrieben wurde, und die Kölner sangen dazu: „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt.“

Die Mittwochsgespräche - eine Institution im Wartesaal des Hauptbahnhofs

 

Dass nicht alle in der Stadt geschichtsvergessen waren, belegen die Wochenschauberichte über die „Mittwochsgespräche“, bei denen ein mutiger Kölner Buchhändler jede Woche interessante Diskussionen zu aktuellen Themen im Wartesaal im Kölner Hauptbahnhof veranstaltete.“

Der Name des Buchhändlers war Gerhard Ludwig. Er organisierte seine stets gut besuchten politischen Foren von 1950 bis zum Umbau des Hauptbahnhofs im Jahre 1956. Wie den Beiträgen der Deutschen Wochenschau zu entnehmen ist, ging es in den teilweise hitzig geführten Debatten um brisante Themen wie „Pressefreiheit“ (21.5.1952), die „Wiederbewaffnung“ (3.11.1954) und „Todesstrafe ja oder nein?“ (16.3.1955).

 

Acht der insgesamt 265 „Mittwochsgespräche“ waren dem deutschen Film gewidmet. Am 19. September 1951 beispielsweise war der Schauspieler Peter Lorre zu Gast. Lorre hatte kurz zuvor mit seiner ersten und einzigen Spielfilm-Regie „Der Verlorene“ auf eindringliche Weise zur Auseinandersetzung mit der Nazi-Zeit aufgefordert. In Köln referierte er über „Die Situation des deutschen Nachkriegsfilms“.
Das Mittwochsgespräch mit Peter Lorre fand ausnahmsweise nicht im Wartesaal dritter Klasse und auch nicht wie gewohnt um 18 Uhr statt. Vielmehr begann die Veranstaltung um 21 Uhr mit der Vorstellung des Films „Der Verlorene“ im „Aktualitäten Kino“ über der Gepäckabfertigung zum Bahnsteig 1.

Wie Peter Lorre besuchten auch Caterina Valente, Heinz Rühmann, Horst Buchholz und viele andere Filmstars die Premieren ihrer Filme in Köln. Die Deutsche Wochenschau war meist dabei, wie bei der Eröffnung des „Ufa“-Kinos 1955: Bevor sich der Vorhang zur ersten Filmvorführung lüftete, spielte das Orchester auf der Bühne. Blumenarrangements schmückten den Bühnenrand und Caterina Valente sang vor dem begeisterten Publikum. „Ufa“-Generaldirektor Arno Hauke eröffnete schließlich den Gala-Abend im voll besetzten Kino.

Gern gesehen: Prominente

 

Die Nähe Kölns zur Bundeshauptstadt Bonn ließ die Stadt auch zum Ziel zahlreicher Staatsbesuche von ausländischen Politikern werden. Der Besuch von Haile Selassi von Äthiopien im Kölner Dom im Jahre 1954 oder die Besichtigung der Parfüm-Firma Mülhens durch die Ehefrauen der NATO-Außenminister (1957) ließen Köln auf der Leinwand als Stadt erscheinen, die auch internationalen Gästen mit ihren historischen und kulturellen Angeboten etwas zu bieten hat.

Ein Staatsgast löste gar ein erstes „Medienereignis“ aus: John F. Kennedy besuchte 1963 – von zahlreichen Kamerateams begleitet – die Stadt. Vor tausenden jubelnden Menschen verabschiedete sich Kennedy vor dem Kölner Rathaus mit den Worten „May I great you with the old rhinish saying: Kölle Alaaf“. Auf kölsche Art fiel auch Konrad Adenauers spontane Antwort aus: „Ihnen danken wir herzlich für die intime Kenntnis der Kölner. Er hat zwar nichts gesagt vom Kölner Klüngel, ich hoffe, dass der noch weiter existiert. Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen lassen Sie mich auch schließen mit den Worten „Kölle Allaf“.

„Der Augenzeuge“ – die Wochenschau der DDR

 

Inhaltlich setzte die Wochenschau „Der Augenzeuge“ in den Kinos der DDR andere Akzente. Die erste Ausgabe kam am 19. Februar 1946 in die ostdeutschen Kinos. Programmatisch lautete der Slogan: "Sie sehen selbst, Sie hören selbst, urteilen Sie selbst!" Anders als in der westdeutschen Wochenschau standen nicht die typischen "Sensationen" im Zentrum der Darstellung, sondern das Alltägliche, mit besonderer Akzentuierung der Werktätigen und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung.

Im Mai 1949 war das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland feierlich verkündet worden, im August wählten die Westdeutschen ihr erstes Parlament. Die Gründung der Bundesrepublik und die Proklamation der Deutschen Demokratischen Republik wenige Monate später besiegelten die Teilung Deutschlands. Auch das Kino ging in beiden Staaten getrennte Wege. In den Wochenschauen war der bald einsetzende „Kalte Krieg“ prägend, wurden vorgefertigte politische Meinungen nur noch illustriert. In den westdeutschen Wochenschauen waren spätestens seit der Gründung der NATO 1949 nicht mehr Nationalsozialisten, sondern Kommunisten die vordringlichen Gegner. „Der Augenzeuge“ wiederum verknüpfte die Darstellung der Realität bald mit der wachsenden Diffamierung des westlichen Gegners. 

Mit anderem Blick

 

In seinen Berichten aus Köln präsentierte „Der Augenzeuge“ allerdings Bilder, die in Westdeutschland so nicht zu sehen waren.

In der Ausgabe Nr. 24 aus dem Jahre 1950 zum Beispiel sind Aufnahmen von Konrad Adenauer und Theodor Heuss auf dem Petersberg Bildern vom Wohnungselend in den Trümmern von Köln gegenüber gestellt. Während die einen in Luxusautos zu sehen sind, blendet die Kamera auf ein Plakat mit der Aufschrift: „Jugend will leben – aber wie?“. Im Off- Kommentar heißt es dazu: „Man sollte dem Hohen Kommissar John McCloy vorschlagen, vor den Bewohnern dieser Wohnungen eine Festrede über die Segnungen des Marshall-Plans zu halten.“ 

„Besuch in Köln“ (1952) präsentierte weitere Schattenseiten des westlichen Kapitalismus. Noch immer müssen viele Kölner zwischen Ruinen in Notquartieren hausen, während sich gleichzeitig ein Versicherungskonzern wie Gerling einen pompösen Palast bauen kann und ein neuer Wohnbezirk für die britischen Offiziere „finanziert aus den Steuergroschen der Bewohner der Elendshütten“ entsteht.
Auch der Bericht über den Rosenmontag (1952) vermittelte nicht nur kölsche Fröhlichkeit. Einen Karnevalswagen mit Papp-Rekruten der Europäischen Verteidigungs-Gemeinschaft EVG nutzte der Kommentar für eine kritische Kommentierung der Militärpolitik Westdeutschlands. 

Als einzige Wochenschau berichtete der „Augenzeuge“ von den antisemitischen Schmiereien an der Synagoge in der Roonstraße im Dezember 1959 und verwies auf das Fortwirken faschistischer Kräfte in Westdeutschland.

Wochenschauen – fester Programmpunkt in den Kinos zwischen 1946 und 1987

 

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 entfiel zwar die obligatorische Pflicht der Lichtspielhäuser in der britischen und amerikanischen Zone Westdeutschlands, in ihren Vorprogrammen die angloamerikanische Wochenschau „Welt im Film“ (1945-1952) zu zeigen, dennoch war die Wochenschau aus den Kinos nicht mehr wegzudenken. 

Von 1950 an gab es mehrere konkurrierende Wochenschauen: die privatwirtschaftlich organisierte „Blick in die Welt“ (1946-1987), die zuvor nur im französischen Sektor zu sehen war und schließlich vom Pallas Filmverleih bzw. danach vom Constantin Verleih vertrieben wurde; die 1950 in Hamburg gegründete „Neue Deutsche Wochenschau“ (bis 1963), die weitestgehend im Besitz des Bundes war; die „Welt im Bild“ (1952-1956), die von der“ UFA Wochenschau“ (seit 1956), später „UFA-Dabei“ (bis 1977) abgelöst wurde; schließlich die „Zeitlupe“ (von 1963-1969), die „Fox Tönende Wochenschau“ (ab dem 30.12.1949 bis 1978) und der von 1954 bis 1992 existierende „Deutschlandspiegel“, der im Auftrag des Presse- und Informationsamtes in sieben Sprachen produziert wurde und Deutsche Botschaften, Konsulate und Goethe-Institute mit Informationen versorgte. 

In der DDR wurde die von der sowjetischen Besatzungsmacht 1946 gegründete Wochenschau „Der Augenzeuge“ wöchentlich fortgeführt. Mit der Nr. 51 von 1980 stellte „Der Augenzeuge“ sein Erscheinen ein.

Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren die Wochenschauen nicht mehr länger Instrumente der Alliierten zur „Re-education“ der Deutschen. Politische Berichte wurden zunächst eher dosiert und zuweilen subtil geboten. Doch der „Kalte Krieg“ mit seinen Abgrenzungen, Anfeindungen und dem beherrschenden Antikommunismus bestimmte bald auch die Tonart der politischen Berichterstattung. Mit der Konkurrenz des Fernsehens wandelte sich die Wochenschau schließlich immer mehr zum Panoptikum, das den Zuschauer zum Zaungast von Hofberichten, Sensationen und Banalitäten machte.

Während die Wochenschauen in den fünfziger und sechziger Jahren ein unverzichtbarer Bestandteil der Vorprogramme der Kinos waren, zeigten 1976 nur noch 462 von 3173 Kinos in der BRD Wochenschauen. 1977 war das endgültige Aus für die „Deutsche Wochenschau“ in den Kinos. Zehn Jahre später stellte die letzte Wochenschau, die „Blick in die Welt“, mit der dritten Ausgabe 1987 ihr Erscheinen ein.