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Unruhige Sechziger Jahre

 
 

Die zweite Hälfte der sechziger Jahre war auch in Köln durch gesellschaftliche Unruhen und Umwälzungen geprägt: mit Beginn der Großen Koalititon 1966 bildete sich in der Bundesrepublik und West-Berlin die APO, die außerparlamentarische Opposition. 
In Köln gab es, wie in anderen Großstädten an der Universität den SDS (Sozialistischen Deutschen Studentenbund), im Oktober 1967 wurde der Republikanische Club gegründet, ein Treffpunkt und Diskussionsforum der außerparlamentarischen – nicht nur studentischen – Opposition. Im März 1968 streikten 4.000 Arbeiter bei „Klöckner-Humboldt-Deutz“, ein Jahr darauf fand in Köln eine große Demonstration von Lehrlingen zahlreicher Betriebe gegen ein neues Ausbildungsgesetz statt. Begleitet wurden diese Jahre durch anhaltende Proteste gegen den Vietnamkrieg, durch Demonstrationen gegen die Notstandsgesetzgebung der Regierung in Bonn und Studentenunruhen in Berlin und anderen Städten. 

Schon im Oktober 1966 kam es zur bis dahin größten politischen Demonstration in Köln.
Der Protest, von Schülern initiiert und vom AStA der Universität Köln unterstützt, richtete sich gegen drastische Fahrpreiserhöhungen der KVB von bis zu 52%. Die Demonstration begann am Freitag, den 21. Oktober mit ca. 6.000 Schülern und Studenten, die am Neumarkt die Schienen blockierten. Polizisten versuchten, den Bahnen den Weg frei zu räumen, es kam zum Einsatz von Wasserwerfern und berittener Polizei. 

Die sog. Regenschirm-Demonstration in der Fernsehberichterstattung

 

Mehrmals berichteten die damaligen Lokalmagazine des WDR über die Ereignisse, u.a. in „Hier und Heute“ am 24. Oktober über „Erneute Studentendemonstration gegen KVB-Fahrpreiserhöhung in Köln“: Gezeigt werden Menschenmengen und blockierte Schienen, Nachtaufnahmen von stehenden Bahnen und mit Menschen gefüllte Straßen. Schüler und Studenten werden zu den Auswirkungen der Preiserhöhung befragt. Auch der AStA-Vorsitzende, CDU-Mitglied Klaus Laepple, der die Kundgebung angemeldet hatte, kommt zu Wort. Er weist darauf hin, dass die KVB eine „Sozialeinrichtung“ sei und als solche naturgemäß defizitär arbeite. Vom Rat der Stadt (SPD), der die Preiserhöhung beschlossen hatte, fordert er Einsicht in die Finanzen und gemeinsames Vorgehen. 

In den aktuellen Berichten sind zahlreiche Jugendliche zu sehen, viele Schüler - viele junge Leute im Anzug. Da es regnet, stehen viele mit Regenschirmen auf dem Rudolfplatz und vor dem Rathaus – wodurch die „Regenschirmdemonstration“ ihren Namen erhielt. 

Am 25. Oktober wurde gleich zweimal berichtet – mit einer „Volksbefragung in Köln zu den Studentendemonstrationen wegen KVB-Preiserhöhungen“ sowie einem 12-minütigen Film über „Schüler- und Studentenaufstand gegen die geplante KVB-Fahrpreiserhöhung in Köln". In den Kommentaren ist die Rede von der „Freude am Krawall". Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass „Proteste dieser Art als Zeichen der Unzufriedenheit" gesehen werden müssten. Insbesondere in der „Volksbefragung"  schlägt der Fernseh-Kommentator harte Töne an: „Viele Halbstarke oder sogar kriminelle Elemente nutzen den Anlass zur Kraftprobe zwischen sich und der Polizei“. Vom „Hexenkessel gegen Recht und Gesetz“  ist die Rede. Die Meinungsumfrage unter Passanten setzt sich aus ablehnenden Stimmen zusammen, die den „Krawall“ nicht gutheißen.
Aus heutige Sicht ausgesprochen ungewöhnlich ist eine kurze Szene gegen Ende des Fernsehbeitrags: auf einer Pressekonferenz mit der KVB zu den Schäden und Schadensersatzklagen greift der KVB-Sprecher während seiner Antworten zum Schnapsglas und nimmt einen Schluck. 
Der AStA-Vorsitzende erhielt nach den Demonstrationen eine Anzeige wegen Nötigung, schweren Landfriedensbruchs und Aufruhrs. Das Urteil und sein juristisches Nachspiel ging  als Laepple-Urteil in die Rechtsgeschichte ein.

Gegen die Notstandsgesetze und rechte Pressehetze

 

Im Juni 1967 reagierten Kölner Studenten mit einem großen Schweigemarsch auf den Tod des Studenten Benno Ohnesorg. Er war am 2. Juni 1967 in Berlin durch die Schüsse eines Polizisten bei Demonstrationen gegen den Schah von Persien getötet worden. 
Ein kurzer Beitrag am 7. Juni dokumentiert den „Studentenschweigemarsch in Köln für Benno Ohnesorg“, zeigt das Hauptgebäude der Universität, wo sich Menschen sammeln und den langen Zug. Auf Transparenten ist zu lesen: „Benno Ohnesorg ein Opfer der Springerpresse“. Als Redner treten auf Klaus Laepple, AStA-Vorsitzender sowie der Kölner Soziologieprofessor Erwin Scheuch. Ein Jahr später wird er den Studentenunruhen und linken Positionen kritisch gegenüber stehen.

 

Im April 1968 wurde auf den Studentenführer Rudi Dutschke in Berlin ein Attentat verübt, bundesweite Demonstrationen folgten, so auch in Köln. Aus Protest gegen die Springer-Presse blockierte eine Gruppe die Druckerei des Kölner Stadt-Anzeigers, wo „Bild“ gedruckt wurde, um die Auslieferung der Zeitung zu verhindern. Die Diskussionsbereitschaft des Verlegers Alfred Neven DuMont mit den Studenten führte dazu, dass Springer den Druckauftrag kündigte und anderweitig vergab.

Am 11. Mai 1968 protestierten zehntausend Menschen bei einem Stermarsch auf Bonn gegen die geplanten „Notstandsgesetze“. Kritisiert wurden weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in die Grundrechte durch die Staatsorgane. 
Zwei Wochen später – am 28.Mai – fand in Köln am Neumarkt eine Demonstration mit 5.000 bis 6.000 Schülern und Studenten gegen die Notstandsgesetze statt. Der WDR berichtete einige Tage später über eine Pressekonferenz im Republikanischen Club über „Repressalien gegen Schüler, die an den Notstandsprotesten teilgenommen haben“. Schüler und Schülerinnen erzählen von drohendem Schulverweis. Es geht um die Fragen, ob es sich um Schwänzen handelt und wieviel „innere Überzeugung“ nötig ist, um das Fernbleiben vom Unterricht zu rechtfertigen. 

Arbeiterschaft und Studentenschaft protestieren gemeinsam

 

Der Protest gegen die Notstandsgesetze brachte am 24. Mai 1968 in der Kölner Universität erstmals Studenten und Arbeiter zu einer gemeinsamen Veranstaltung zusammen: Sie fand im Hörsaal 1 der Universität statt, es sprachen Gewerkschafter sowie Studentenvertreter aus Bochum und Frankfurt („Gewerkschaftler und Studenten - Gemeinsame Versammlung“.) Im Film sieht man den vollen Hörsaal, vor allem junge Männer in Anzug und Krawatte sind zu sehen, es wird geraucht und die Haare sind überwiegend kurz und gescheitelt.

Die Notstandsgesetze wurden zwei Tage später, am 30. Mai 1968 im Bundestag verabschiedet. Als Reaktion errichteten Studenten in Köln Barrikaden vor dem Haupteingang der Universität.