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Frühe Fernsehsendungen aus Köln

 
 

Weitaus häufiger als im Kino war Köln in den fünfziger Jahren auf den heimischen Bildschirmen zu sehen. Am 25. Dezember 1952 nahm der NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) sein Fernsehprogramm aus Köln auf. 1956 sendete der Westdeutsche Rundfunk erstmals als eigenständiger Fernsehsender.

Den Zuschauern vor den rund 200 (!) Fernsehgeräten im Kölner Umkreis bot sich am Abend des ersten Weihnachtstages ein denkwürdiges Premieren-Programm von 120 Minuten: der Altermarktspielkreis trat mit einem „Kölsch-Kreppespillche“ auf, und eine Trachtengruppe aus dem Riesengebirge führte Volkstänze auf. Dann nutzten Kölns Oberbürgermeister Dr. Ernst Schwering und der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Dr. Hermann Schäfer, „im wahrsten Sinne ungeschminkt die Gunst der historischen Stunde“, wie Klaus Mahlo, einer der Fernsehpioniere berichtete. „Käsig (…), wie sie das vornehm verschmähte Make-up ins flüchtige Elektronenbild entlässt, bezeichnen sie das Fernsehen als 'einen großen Erfolg für uns alle und für den Frieden der Welt', aber auch als 'ein Zauberding', einen, 'noch nicht übersehbaren Fortschritt für die Bevölkerung'.“

Zwei Tage später lobte der Kölner Stadt-Anzeiger das neue Medium als „Weihnachtsgeschenk für Mutter Colonia“, das mit einem Programm aufwartete, „in dem rheinisches und schlesisches Brauchtum sich zum gesamtdeutschen Bekenntnis verbanden.“
Das zweistündige Fernsehprogramm aus Köln fand nicht bei allen Zuschauern Zustimmung. Noch am Abend des 25. Dezember rief der Sekretär Kardinals Frings im NWDR an und beschwerte sich darüber, dass Dieter von Seydlitz in seiner Moderation mehrfach unanständige und zweideutige Ausdrücke benutzt habe. Ähnliche Anrufe trafen auch in den nächsten Wochen und Monaten bei der Redaktion ein.

Die ersten Schritte im neuen Medium

 

Der NWDR war bisher nur als Radiosender in Erscheinung getreten, für das Fernsehen war Köln noch nicht gerüstet. Die Kameraausrüstung für den ersten Fernsehabend hatte der Hessische Rundfunk ausgeliehen, der erste Aufnahmeleiter, Walter Pindter, kam aus München. Die meisten Regisseure, Kameramänner, Beleuchter, Cutter, Ansager und Techniker der ersten Stunde wurden aus Wiesbaden, Hamburg, Berlin und München angeheuert, wo es Filmfirmen gab.
Laut Klaus Mahlo, seit 1960 stellvertretender Programmdirektor des WDR-Fernsehens, sahen die Radiomacher skeptisch auf die Fernsehpioniere herab: „Man lächelte über sie, ….und nahm sie nur selten ganz ernst. Waren das Gescheiterte oder – Gott behüte! – Gescheitere, die vielleicht sogar ziemlich ehrenhafte Berufe aufgegeben hatten, um sich diesem neuen Medium zu verschreiben, das so etwas wie tägliche Vorstellungen geben wollte, ohne schon eine erkennbare Vorstellung von sich selbst zu haben? Fernsehleute – Abkömmlinge eines Fehltritts von Abtrünnigen des Radios mit anrüchigen Filmdeserteuren, parfümiert mit dem üblen Druck-Geruch der Boulevard-Presse, umlauert von beutegierigen Managern des Show-Geschäfts! Exemplarische Killer der Kultur, Zerstörer der Familie, der Untergang des Abendlandes!" Unter den Spöttern gab es auch andere, „die es gar nicht so ungern sahen, dass der schmale Strom der neuen Geschichte so dicht an ihren Bürotürmen vorbeifloß.“

Improvisation zwischen Turnhalle und Tonstudio

 

In erster Linie aber waren die ersten „Fernsehleute“ Improvisationskünstler. Da es an Studios fehlte, sah sich der NWDR gezwungen, neben den Studios am Appelhofplatz und im Funkhaus auf zahlreiche „Behelfs-Studios“ wie die Turnhalle der alten Universität, den Tanzsaal des ehemaligen Schützenhauses in Rath-Heumar und die Tennishalle Rot-Weiß gegenüber dem Restaurant Kuckuck in Köln-Müngersdorf zurückzugreifen; hinzu kamen das Apollo Theater in Düsseldorf und das Metropolis in der Annostraße in Köln. Auch Büroräume für Redaktionen und Cutter mussten angemietet werden. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung waren Mitarbeiter des WDR auf mehr als sechzig Häuser der Stadt Köln verstreut.

Als Gäste des Hörfunks zogen die Fernsehleute in einen Studioraum, der nach der Ausstattung mit Kulissenbauten, Jupiterlampen, Mikrofongalgen und Aufnahmekameras wie ein Tonfilmatelier wirkte. Kölns „Film-Team“ bestand aus Mitgliedern, die aus der Filmindustrie kamen. Sendeleiter Walter Tjaden war früher Tonmeister der Ufa und Produktionsleiter einer Reihe von Filmen. Von der Bavaria kamen die Kameramänner Kurt Grigoleit, Walter Pindter und Walter H. Schmitt. 

Als der WDR sich Ende der fünfziger Jahre an der Bavaria-Atelier-Gesellschaft in München beteiligte und damit auf den Bau von eigenen Ateliers und filmtechnischen Betrieben in Köln verzichtete, war dies für die Medienentwicklung der Stadt nachteilig. Erst in den neunziger Jahren sind mit der Gründung der verschiedenen Filmförderungen, allen voran der Filmstiftung NRW durch das Land Nordrhein-Westfalen, die Weichen für die Weiterentwicklung der „Medienstadt Köln“ gestellt worden.

Ein Nebeneffekt der lokalen „Verankerung“ des NWDR war allerdings, dass Kölner Themen in den Fernsehprogrammen von Anfang an einen dominierenden Platz einnahmen.

Köln im Programm des WDR

 

Die ersten Fernsehsendungen aus Köln unterschieden sich inhaltlich kaum von den Wochenschauberichten der Kinos, wirkten jedoch, weil weniger schnell geschnitten, vergleichsweise gemächlich. Ihre thematische Bandbreite reichte von ersten Berichten über die Photokina (1954), über die unvermeidlichen Bilder vom Rosenmontagszug bis zu Porträts von Kölner Kirchen und dem Kölner Dom. Auch wichtige kulturelle Ereignisse wie die Wiedereröffnung des Schnütgen-Museums in der Cäcilienkirche 1956 („Unvergängliches Mittelalter“) oder die Eröffnung der Kölner Oper 1957 („Das neue Große Haus“) waren bald im Programm es jungen Fernsehsenders zu sehen. Mehr Raum als die Wochenschauen bot das Fernsehen für Dokumentationen über Restaurierung und Wiederaufbau der noch immer von Kriegsschäden gezeichneten Stadt. Dabei folgten viele Filmberichte dem Schema, dem bewährten Alten (Dom, Rathaus und Gürzenich) das wachsende Neue (Schnellstraßen, Hochhäuser der Banken und Versicherungen und „moderne" Geschäfte) gegenüberzustellen. 

Unter den frühen Fernsehproduktionen fallen zwei Filme aus dem Rahmen, die beide von Martin Neumann stammen. „Südliche Altstadt-Köln“ (1958) zeigt einen Rundgang durch das Severinsviertel, das nach dem Krieg zu mehr als 90% zerstört war. Den Anfang machen Bilder von Hinterhöfen mit notdürftig hergerichteten Behelfswohnungen, ärmlichen Wohnwagen und rostigen Wracks von liegen gebliebenen Lastwagen. Vor einem Haus hebt sich das Schild „Schlafstellenvermietung.Sauber“­­ ab. Der eher beobachtende als kommentierende Sprecher überlässt es den Zuschauern, sich ein eigenes Urteil über mögliche positive und negative Entwicklungen in der Stadt zu bilden. Die zeitgenössische Jazzmusik, die das Ganze untermalt, trägt dazu bei, diesen Film aus den frühen Fernsehberichten herausragen zu lassen.

Neumanns zweiter Film, „Köln am Rhein, du schönes Städtchen“ (1959), gleicht einem verfilmten Stadtbummel und der Sprecher aus dem Off klingt mit seinem unverkennbar rheinischen Tonfall wie ein Reiseleiter. Doch die üblichen Klischeebilder werden hier durch die Art der Kameraführung und die Musik von Werner Haentjes ironisch gebrochen. Auf dem Vorplatz des Kölner Doms, wo morgens die ersten Touristen aus ihren Bussen steigen, beginnt der Rundgang mit der Kamera. Neben der Domlotterie sind dort die vergeblichen Versuche japanischer Touristen zu beobachten, den Dom in seiner ganzen Größe auf einem Foto festzuhalten. Vom Café Reichard über den Wallrafplatz geht es über die Hohe Straße und Schildergasse bis zu Neumarkt und Heumarkt, wo „zwischen 17 und 19 Uhr ein kolossaler Verkehr“ herrscht. 

Blick in die Umgebung: Das neue Regionalprogramm

 

Für die stadthistorischen Filme aus Köln war die Entwicklung des Regionalprogramms des WDR ein wichtiger Markstein. Ab dem 1. Dezember 1957 strahlte der WDR mit der Sendung „Hier und Heute“ unter der Leitung von Werner Höfer sein erstes Regionalprogramm für das Rheinland und Westfalen aus. Die tägliche 30-minütige Sendung bot mit Beiträgen von einer bis zu vier Minuten Länge auch Raum für Berichte über Kölner Themen, die bis dahin kaum in Filmen oder Wochenschauen vorgekommen waren, so zum Beispiel über eine Kandinsky-Ausstellung (1958), „Negerkunst (so der offizielle Sprachduktus der fünfziger Jahre) im Domkeller“ (1958) und die Vergabe eines Preises der Film-Gilde, die sich für anspruchsvolle Kinoprogramme einsetzte, an das Filmtheater Lux (1959).

Leerstelle: die jüngste Vergangenheit

 

Daneben standen Berichte über den ersten Taxifahrer-Streik (1957) im Nachkriegs-Köln, die Einführung von Telefonhäuschen (1957) und Tiernachwuchs im Kölner Zoo (1959), die der Boulevardberichterstattung der Wochenschauen entsprachen. Auch Porträts eines Uhrmachers und eines Kunsthändlers sowie ein Beitrag über Straßenkehrer um acht Uhr morgens (1958) vermögen nicht darüber hinweg zu täuschen, dass Bilder aus der Arbeitswelt auch in den ersten Fernsehberichten fehlten und dass die Kölner, solange sie sich nicht durch spektakuläre Leistungen und Besonderheiten auszeichneten, allenfalls in der Masse zu sehen waren: bei Sport- und Kulturveranstaltungen, als Besucher kirchlicher Feierlichkeiten und im Karneval. Als Individuen und Menschen mit unterschiedlichen Lebensvorstellungen und Überzeugungen tauchten sie (noch) nicht auf.

Eine Leerstelle in den Filmen, Wochenschauen und Fernsehbeiträgen der fünfziger Jahre war symptomatisch: die Ignoranz gegenüber der schmerzhaften Rückkehr der Überlebenden des Holocaust und dem mühsamen Wiederaufbau einer jüdischen Gemeinde in Köln. Darüber berichtete niemand. Nur dem persönlichen Engagement einiger WDR-Reporter ist zu verdanken, dass zumindest kurze Filmdokumente über das Jüdische Passah-Fest, die Restaurierung der Synagoge in Köln (1958) und über die Synagogen-Schändung durch Rechtsradikale am 25. Dezember 1959 vorliegen.

Erst die Studentenbewegung der sechziger Jahre sollte die bundesrepublikanische Gesellschaft mit ihrer faschistischen Vergangenheit konfrontieren und auf ihre Verantwortung gegenüber den Opfern hinweisen – nicht zuletzt mit Hilfe von Filmen.